Es ist ein Massenphänomen und es ist jung: das Internet. Viele sind fasziniert von der Möglichkeit, sich eine eigene Welt per Mausklick zusammenzustellen. Besonders attraktiv ist das Netz für die Jugend. Junge Menschen in Deutschland trauen den Nachrichten aus dem Internet deutlich mehr als ältere Bürger. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, welche die TNS Emnid Medienforschung in Bielefeld veröffentlichte. Bei den 14 bis 29 Jahre alten Menschen ist überhaupt nur noch ein Drittel skeptisch gegenüber der Logik des Netzes.
Ob wir wollen oder nicht, das Internet wirbelt die gewohnte Welt der Wissenschaft und der Religion gehörig durcheinander. Dabei setzt die Datenautobahn voll auf Geschwindigkeit. Problematisch werden diese Fakten, wenn das Internet auch die „Glaubenswelt“ wird und so eine religiöse Orientierung auf Websites, in Internetforen und durch Internetprediger vermittelt. Über Jahrhunderte wurde der Islam weniger durch Bücher als persönlich durch Gelehrte vermittelt. „Warum folgst Du überhaupt einer Madhdhab oder einem Lehrer?“, fragen aber viele junge Muslime.
Diese Muslime sind heute gewohnt, im Internet jede Quelle über den Propheten selbst und seine Lebenspraxis sekundenschnell abzurufen. Jede Frage, ob relevant oder nicht, wird durch einen der vielen Internetprediger, sei es auf Facebook oder YouTube, global beantwortet. Tauchen allerdings echte Fragen mit echten Folgen auf, werden junge Internetexperten selber schnell zu Rechtsgelehrten, die – beispielsweise – über Sinn und Auslegung von Hadithen entscheiden. Natürlich geschieht dies oft ohne nachprüfbares Wissen über die Qur’anauslegung und die anerkannten Rechtsregeln des Islam.
Oft wissen solche Grünschnäbel im Datenrausch nicht einmal, dass solche Regeln existieren. Natürlich vergisst man als „Internetschüler“ auch leicht, dass große berühmte Gelehrte wie An-Nawawi, Qadi Abu Bakr ibn Al-Arabi, At-Tahawi oder As-Sujuti im vorgegebenen Rahmen der vier Madhdhabs dachten und nicht versuchten, eine eigene Schule zu gründen. Innerhalb der Rechtsschule, der man folgt, gibt es dann die Möglichkeit für die Wissenschaft, auf neue oder neuartige Fragen entsprechend zu reagieren. Allerdings wohl nicht in dem rasanten Takt, den das Internet vorgibt.
Im Ergebnis besteht also für die absolute Mehrheit der Muslime, die selbst keine großen Gelehrten sind, die Notwendigkeit, anerkannten Rechtsschulen und vertrauenswürdigen Lehrern zu folgen. Ohne diese hier beschriebenen Grundregeln der Entschleunigung würde die Rechtswissenschaft im Islam zugunsten einer Populärwissenschaft und zugunsten von extremen Minderheitsmeinungen schnell untergehen. Diese alte Gefahr wird heute durch das Internet nicht kleiner. Sufjan ibn Ujaina sagte: „Hadithe können auch zu einer Quelle der Fehlleitung werden, wenn sie nicht durch vertrauenswürdige Rechtsgelehrte vermittelt werden“. Dieser Standpunkt ist auch im Internetzeitalter gültig. Es bleibt wichtig, das fundamentale Wissen der vier großen Lehrer Imam Malik, Abu Hanifa, Asch-Schafi’i und Ahmad Ibn Hanbal hochzuhalten.