„Was diese drei Männer damals verbindet, ist der Kampf für ihre Vorstellungen von einer »linken Gerechtigkeit« und dass sie das Risiko eingehen, sich öffentlich mit Menschen zu solidarisieren, die als Staatsfeinde gelten.“ (Ankündigung „Die Anwälte“)
Drei alte Männer, drei Biographien, drei Schicksale – der Dokumentarfilm „die Anwälte“ führt in die Lebensläufe und politischen Laufbahnen dreier berühmter Rechtsanwälte ein. Anwälte, die zeitlebens wissen, dass Rechtsausübung nicht nur eine Technik ist, sondern auch philosophisch begründet werden muss.
Am Beginn der gemeinsamen Geschichte steht ein schwarz-weiß Photo, darauf sind Otto Schily und Hans-Christian Ströbele als Verteidiger und ein ehemaliger Anwalt, jetzt als Angeklagter, wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor Gericht, Horst Mahler, zu sehen.
Deutschland steht unter dem Eindruck der 68er-Jahre, Studenten revoltieren, Vietnam wird von den Amerikanern bombardiert. Es entstehen Grade der politischen Intensität, Feindschaften, bis hin zur Bildung terroristischer Zellen. Der Staat reagiert, überreagiert, wehrt sich und wird zum allgegenwärtigen Sicherheitsstaat mit Rasterfahndung und Hochsicherheitsgefängnissen.
„Die Anwälte“ zeigt in nüchternen Bildern den Kampf und die Kämpfer, für und gegen den Rechtsstaat und natürlich auch eindrucksvoll wie Ideologien, überzogene moralische Ansprüche und die Aussicht auf Macht den politischen Menschen verändern können. Man lernt schnell: Irren ist menschlich, Veränderung auch.
Innenminister a.D. Otto Schily problematisiert auf seine beruflichen Laufbahn zurückblickend, verständlicherweise nicht etwa die eigene geistige Nähe zu Ideologen, sondern gefällt sich besser in der Kontinuität als Anwalt, der immer, auch unter widrigen Verhältnissen, für das Recht einsteht und als politischer Mensch die Verantwortung aus den Erfahrungen Nazi-Deutschlands zieht. Die Dokumentation erlaubt ihm diesen selbstgefälligen Blick zurück ohne störende Fragen, zwingt ihn leider auch nicht zum kritischen Blick in die umstrittene Zukunft des Rechtsstaates, die er mit seinem „Otto Katalog“ ja entscheidend mitprägte.
Schilys Kampf gegen den internationalen Terrorismus hat die Bundesrepublik zweifellos verändert. Die neue Macht der Parteien, Banken, Medien, Lobbyisten verändert auch längst die alte Idee des Rechtsstaates. Als Sozialdemokrat und Grüner und längst zu Stützen der Gesellschaft geworden, stehen Schily und Ströbele der aktuellen Herausforderung an den Rechtsstaat, in der Form des übernationalen „Coup de Banque“, eher leise gegenüber. Es ist auch nicht mehr ihre Zeit.
Gegen den machtbewussten Schily wirkt der emsige Abgeordnete Ströbele eher wie ein Träumer, dessen Politik chronisch folgenlos bleibt und auch nie in die Gefahr einer Mehrheit gerät. So fällt ihm immer die Rolle des altersweisen, sympathischen Gerechtigkeitsfanatikers zu. Es ist die Rolle des gerechten Kämpfers, in der sich die Beiden, noch immer, wenn auch aus unterschiedlichen Gesichtspunkten heraus, gefallen.
Das letzte Rätsel der „Anwälte“, die seltsame Wandlung des Horst Mahler kann der Film nicht wirklich schlüssig erklären. Schily, schlussendlich nach Mahlers Rolle befragt und sonst nur selten sprachlos, schüttelt nur den Kopf über den ehemaligen Mitkämpfer und sieht in dessen traurigem Werdegang eine schlichte Tragödie. Horst Mahler wirkt tatsächlich nicht nur wie ein gebrochener Mann, sondern auch wie ein peinliches Relikt aus alter Zeit. Mahler dient dem politischen System noch insoweit, als er die alten Gegensätze zwischen Rechts und Links und die Dämonen der Vergangenheit in Erinnerung hält. Er hat die Rolle des politischen Bösewichts gewählt: er ist böse und lässt so die Gegenspieler gut aussehen. Mahler selbst sieht sich dabei in der Hegelschen Logik, die den gröbsten Widerspruch als ein willkommenes Zeichen auf dem langen Weg der Wahrheitsfindung ansieht.