Terroristen haben Bärte und eine gesellschaftsfeindliche Ideologie, agieren aus dem Untergrund und haben eine gewisse Sympathie für Verlautbarungen mit Sprengstoff. Wie kein anderes Land fürchtet sich Amerika beinahe alltäglich vor einem neuen Angriff des Terrorismus und schwankt zwischen Paranoia und Sicherheitsverlangen. Im Inland beäugen noch immer viele Amerikaner misstrauisch die im Lande entstandenen Moscheen und insbesondere das Treiben der fremd wirkenden arabischen Mitbürger. An allen Ecken des Landes bewachen schwer bewaffnete Polizisten mögliche neue Angriffsziele.
Eine der jüngsten amerikanischen «Top-Terroristen» fällt jedoch nicht in die bisher bekannten Kategorien des Terrorismus und trägt ein schlichtes Hawaiihemd statt einem Kampfanzug. Die diesjährige Einschätzung des «Federal Bureau of Investigation», es handle sich bei dem Geschäftsmann Bernard von NotHaus um einen gefährlichen Inlandsterroristen, nimmt dieser nur noch mit einem Kopfschütteln zur Kenntnis.
NotHaus selbst lässt sich von solchen herben Vorwürfen nicht einschüchtern, sieht sich selbst als einen modernen Freiheitskämpfer und als einen amerikanischen Patrioten. Was wie eine Posse klingt, könnte aber eine der wichtigsten Fragen im Verhältnis von Staat und Bürgern dieses Jahrhunderts betreffen. Wie konnte der biedere Geschäftsmann überhaupt in die Feindeslinien geraten?
Die Waffen des Bernard NotHaus, die heute angeblich das amerikanische Modell bedrohen, könnten nicht banaler sein. Mit viel Enthusiasmus prägte der Geschäftsmann einige Jahre lang schlichte Gold- und Silbermünzen und gründete die Firma NORFED. Das Produkt sollte den einfachen Bürger gegen die wachsende Inflationsgefahr schützen. Der Clou: Der Wert der Goldmünze ergab sich dabei nicht aus einem staatlichen Zahlungsversprechen, sondern aus dem Wert des Goldes an sich.
Das Unternehmen schuf den berühmten «Liberty Dollar» und damit nicht anderes als für Millionen Amerikaner eine Alternative zum Dollar. Hier begann aber auch der Absturz des Bernard NotHaus. Die Idee einer echten Alternative zum amerikanischen Dollar explodierte lautlos und hatte nebenbei das Potential einer Massenbewegung. Der Staat musste reagieren. US-Staatsanwältin Anne Tompkins fasste den Ansatz der Alternativwährung in einem einfachen Satz zusammen: «Versuche die amerikanische Währung zu unterminieren, sind schlicht eine Form des Inlandsterrorismus».
NotHaus Idee war dabei im Grunde nicht revolutionär, sondern dachte nur konsequent marktwirtschaftlich. Warum sollte es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht auch ein wenig Wettbewerb auf dem Geldmarkt geben? Was aber für NotHaus die Ausübung eines schlichtes Bürgerrecht war, wurde von den amerikanischen Stellen als subversiver Akt eigeordnet. Das stolze «in Gold we trust» auf dem Liberty-Dollar führte zu einer Art amerikanischen Götterdämmerung, denn die amerikanische Zentralbank war es über Jahrzehnte gewohnt, unbefragt über den Sphären des amerikanischen Geldmarktes zu thronen.
Im September 2006 spitzte sich die Lage dramatisch zu. Amerikanische Staatsanwälte informierten die zahlreichen Kunden des «LibertyDollars», dass die Verbreitung der Alternativwährung ein Verbrechen sei. Die Bezeichnung der Münze als Dollar und die patriotische Einkleidung der Kampagne hatte den Staat mit seiner brüchigen Papiergeldwährung endgültig provoziert. In den Medien versuchte man NotHaus, mit dem Vorwurf der Geldgier, die Münzen wurden mit einem Aufschlag verkauft, zu diskreditieren. Im Kern ging es den Behörden jedoch um etwas Fundamentaleres und nichts anderes als die Verteidigung des Dollars als «Wert».
Der Wirtschaftskrimi entwickelte sich nun schnell weiter. 2007 beschlagnahmten die Behörde zwei Tonnen Münzen mit dem Konterfei des texanischen Kongressabgeordneten Ron Paul. Tausende Kunden verloren dabei, zumindest vorerst, ihr Eigentum. Der Politiker wusste zwar angeblich nichts von der Ehre auf dem Liberty Dollar zu erscheinen, aber spätestens jetzt hatte die Affäre NotHaus den Level einer Staatsaffäre. Der Republikaner Paul gilt in Washington nämlich als wortgewaltiger Verfechter von Goldwährungen und als Intimfeind der «unpatriotischen» Politik der amerikanischen FED. Das ungezügelte Drucken von Papiergeld, so Paul, und nicht das Drucken von Goldmünzen, sei das eigentliche Verbrechen. Inzwischen unterstützt Paul auch das Bestreben einiger amerikanischer Bundesländer, wie beispielsweise Utah, den Geldmarkt zu liberalisieren. Die Verhaftung des Liberty-Dollar-Erfinders war nun im Zusammenspiel mit den Thesen Pauls zu einem einzigartigen Politikum geworden.
NotHaus wurde zum Märtyrer der amerikanischen Goldbewegung, enteignet und schließlich 2009 verhaftet. Die bizarren Widersprüche in der Bewertung des Falles waren offensichtlich. Während kaum ein Wallstreet-Banker in der Finanzkrise ernsthaft belangt wurde, ging der Staat mit größter Härte gegen den amerikanischen Sonderling vor. Dabei hatte NotHaus das Vermögen tausender amerikanischer Büger nachhaltig geschützt und nicht etwa aus Geldgier vernichtet. Die Sympathiebekundungen für NotHaus werden inzwischen lauter, zu absurd hörte sich die Qualifizierung dieses Mannes als «Terrorist» an. Zwischen den zahlreichen Juristen der beteiligten Lager entbrannte ein heftiger Streit um die eigentliche Kernfrage des Kriminalfalls: Darf ein Bürger eigentlich sein eigenes Geld schaffen?
Die «NotHaus Frage» – so wurde diese verfassungsrechtliche Grundfrage im Editorial der New York Sun genannt – fordert so letztlich das Währungsmonopol moderner Staaten heraus. Nur mit diesem Monopol ist der Staat überhaupt in der Lage, immer neue riesige Geldsummen aus dem Nichts zu schaffen und damit auch die titanischen Schuldenberge zu ermöglichen. In einem freien Geldmarkt hätte sich Papiergeld, so sind sich viele Volkswirtschaftler heute einig, kaum durchsetzen können. Sogar der böse Begriff des Zwangsgeldes macht nun die Runde und konterkarriert so den Anspruch der Demokratien ein «freiheitliches und marktwirtschaftliches» System zu etablieren.
Ob der Staat auf Dauer Zwangsgeld gegen den Willen der eigenen Bürger durchsetzen kann werden bald amerikanische Gerichte entscheiden müssen. Die möglichen Entscheidungen werden immer wieder in vielen Zeitungen und Blogs diskutiert. Gebannt schauen auch viele Nutzer von anderen Alternativwährungen auf die Entscheidung der Gerichte und fürchten schlimmsten Falles, bei einer negativen Entscheidung auch bald kriminalisiert zu werden. Dann wäre Amerika ein weniger freies Land.
Das Schicksal von NotHaus wird inzwischen in der ganzen Welt beobachtet. Der 67-Jährige Mann ist zwar auf Bewährung in Freiheit, noch immer drohen ihm aber 25 Jahre Gefängnis. Die «NotHaus Frage» wird inzwischen als Vorlage für eine Debatte über die echten Konsequenten der globalen Finanzkrise angesehen. Sogar im alten D-Mark Land Deutschland wird das aus dem Mittelalter stammende Währungsmonopol des Staates und die aktuell bevorzugte Schaffung schlechten Geldes kritisch gesehen. Der FDP-Politiker und MdB Frank Schäffler, Anführer der so genannten Euro-Rebellen im Bundestag, fordert schon länger den freien Währungswettbewerb. Die Folgen einer echten Liberalisierung des Geldmarktes brachte er in einem Interview mit Telepolis auf den Punkt: «Da niemand freiwillig schlechtes Geld hält, wird der sich entwickelnde Währungswettbewerb die privaten, aber auch die staatlichen Geldproduzenten dazu anhalten, besseres Geld zu produzieren».