Wenn das wirklich der Islam ist, den man in den Medien sieht, würde sich ihm wohl kaum einer annähern wollen. Das denkt man zumindest. Nach wie vor beschränkt sich ja die veröffentlichte Debatte auf exotische Themen, setzt auf Konfusion, auf Dialektik und die Besetzung der Randthemen: die Kleiderordnung, das Milieu oder immer wieder die angebliche Rückwärtsgewandheit des Islam. Die Welt ist ein Spiegel. In der über eine Milliarde Menschen umfassenden, komplexen Realität des Islam findet man was man finden will.
Man würde – so gesehen alarmiert – natürlich gerne veröffentlichen, dass nicht etwa Bart oder Kopftuch das Muslim-sein ausmacht, sondern das Bekennen, Beten, Fasten, Pilgern und die Bezahlung der Zakat. Der Fakt, ob jemand einen Bart oder das Kopftuch trägt, will man hinzufügen, gibt ja hier im Grunde nur erste, „äußerliche“ Hinweise – mehr aber auch nicht.
Auch das könnte wichtig sein: Zwischen dem Kreislauf von Leben und Tod bewegt die Muslime und ihre Wissenschaften doch zunächst die wesentlichen Fragen. Dies sind – jenseits der kulturellen Zugehörigkeit – Fragen nach der „Condition humaine“, die wir alle – die wir atmen – zu beantworten haben.
Lassen wir uns trotz aller Debatten nicht täuschen. Die aktuellen Kernthemen, die jeder Mann oder jede Frau mit Verstand interessieren könnte und berechtigterweise zunächst vom Islam beantwortet haben will – mir fällt gerade ein, die soziale Verfasstheit der Muslime, das Einheitsdenken oder die ökonomischen Gesetzlichkeiten der Offenbarung -, bleiben nach wie vor unerwähnt.
Es ist auch, unter uns gesagt, ziemlich simpel, mit Hilfe muslimischer Randexistenzen den Islam durch abstruse Assoziationen zu diskreditieren. Bedauerlicherweise gibt es den randalierenden, muslimischen Trinker in Neukölln, aber es gibt natürlich keinen „islamischen Alkoholismus“. Zu verteidigen sind – neben den allgemeinen Gesetzen der Logik – nicht die Muslime per se, daran würde man wahrlich scheitern. Zu verteidigen ist der Islam. Aber sei's drum für den Moment.
Es ist ja um so schöner, dass es noch ein andere Seite der Medaille gibt.
Heute werde ich in einer Kölner Moschee nach dem Dschumu'a von der Schahada eines deutschen Rechtsanwalts überrascht. Der Mann, der jetzt den treffenden Namen Hanif trägt, hat sich völlig unberührt von den medialen Bildern und publizierten Vorstellungen auf die eigene Suche gemacht. Heute ist ihm die Überraschung gelungen. Die Sarrazzin-Debatte bereichert der erfolgreiche Kölner Jung mit einer urdeutschen Vita – vorgetragen in waschechtem, rheinländischen Dialekt. „Das entfernteste Familienmitglied lebt im Ausland, in Wuppertal“, erklärt er uns schmunzelnd.
Der Weg kann noch immer einfach sein. „Er habe den Koran gelesen, gebetet und zu studieren begonnen…“, und dann sich auf die Suche nach einer nahegelegen Moschee gemacht. Zum Glück war ich auch da.