Es ist interessant, dass die in den deutschen Medien die Islamkonferenz praktisch einhellig und mit selten gleichförmiger wirkenden Grundton begrüßt wurde. Feierlich wird der „Sieg der Demokratie“ und die Stärkung der angeblich „liberalen Kräfte“ betont, als wäre es kaum vorstellbar gewesen, die Muslime im Lande zu zivilisieren. Mein Gefühl ist, je öfter das Wort „Demokratie“ bemüht wird, desto genauer sollte der aufmerksame Bürger auf das demokratische Verfahren achten.
Kritische Nachfragen über das Procedere an sich, das umstrittene Auswahlverfahren oder Hintergründe über das Meinungsbild der betroffenen Muslime gab es praktisch gar nicht. Das ist kein Wunder, es sind ja die Medien der Mehrheitsgesellschaft, die sich hier ihre „Helden“ suchen. Das Procedere bestimmte ausschließlich die Mehrheit selbst. Die Islamische Zeitung durfte nicht einmal an den Katzentisch der sogenannten „Mediengruppe“. Das ist natürlich kein Widerspruch – c'est la vie.
Natürlich Respekt für Wolfgang Schäuble, der immerhin (nach dem ablösefrei in die Sicherheitsindustrie gewechselten Vorgänger) endlich ein Gespräch mit Muslimen eröffnete. Aber sonst blieb das Niveau und das Ergebnis der Konferenz doch eher bescheiden. Warum ging das überhaupt drei ganze Jahre?
Die Konferenz beförderte nebenbei hunderttausende deutsche, muslimische StaatsbürgerInnen einfach in die hierzulande nicht ungefährliche Schnittmenge der „Integrationsbedürftigen“. Die undurchsichtige Motivation einiger Teilnehmer blieb sowieso eher im Dunklen (Warum will man/frau unbedingt den „wahren“ Islam vertreten, aber ihn gleichzeitig nicht praktizieren – genügt da nicht eine rauschende Talkshow mit Ex-CDU Anhängern, Ex-Christen oder Ex- was auch immer?)
Im Grunde erinnerte das Spektakel ein wenig an Rollenspiele, die von einer unsichtbaren Regie durchaus klug zugewiesen wurden. Ihr fünf seid die Liberalen! Ihr zwei seid die Hardliner! Ihr drei seid die Menschenrechtler! Ihr zwei seid die unbequemen Denker! Und los gings mit den Vorurteilen. Die „demokratischen“ Mehrheitsverhältnisse wurden ganz nach der Sichtweise der Mehrheit (und mit streng kalkuliertem Risiko) vorher ausgeknobelt. Die Minderheit muss auch schön brav teilnehmen, weil „wer nicht für uns ist, gegen uns ist“ und damit sowieso ein Integrationsfeind.
Die (vorläufige) Daseinsberechtigung der – so genannten – orthodox praktizierenden Muslime bestand in erster Linie, den für die Massenwirkung wichtigen und einfach gehaltenen politischen Gut-Böse-Spannungsbogen geschlossen zu halten. Die berühmten Verbände und ihre Vertreter stehen – bei allen groben Fehlern, wie beispielsweise das hilflose Festhalten an ethnische Kategorien und ihrer leicht schizophren wirkenden Doppelidentität – unter enormen Rechtfertigungsdruck (den allerdings niemand im Lande kritisch hinterfragt oder gar spürt). Jede Straftat, jede kulturelle Abnormalität, jede nationale Verirrung zurechen- und assoziierbar?
Natürlich werden die Verbände medial klein gehalten und wohl auf Dauer ganz aus dem Stück ausscheiden. Dann werden in der nächsten Runde eben die ehemals Liberalen zu den neuen Hardlinern erkärt. Ist die Angst wirklich unberechtigt, dass die neue Religion, die hier stramm organisiert wird, nett sein mag, aber mit dem Islam des mittleren Weges, den wir alle lieben und studieren, recht wenig mehr zu tun hat?
Immerhin. Einiges Rückgrat bewies der Vorsitzende des Islamrat Ali Kizilkaya, der zwar in den Medien nie länger als 50 Sekunden am Stück reden durfte und dessen Ego auf keine Seite drei der großen Zeitungen drängelte (was im Moment eher für Charakter spricht), aber dennoch – so finde ich – unter großem Druck einige wichtige Positionen hielt. Kizilkaya störte sich wohl als Einziger an dem (hinter den Kulissen) doch recht robusten Verfahren, bemängelte zu Recht die gefährliche Präventionslogik der Überwachung von Muslimen und klärte auch ein wenig über die in Wirklichkeit wenig romantische Gesprächskultur auf. Eine wirklich so unbequeme wie unreflektierte Beobachtung über die innermuslimische Gesprächskultur ist beispielsweise diese: „Das Problem dabei war jedoch nicht die vermeintlich fehlende Gesprächsbereitschaft auf Seiten der Religionsgemeinschaften, sondern vielmehr das Fehlen der Kritiker auf Plattformen, die keine mediale Inszenierung versprachen, aber die Möglichkeit für ein offenes und kritisches Gespräch gewährten.“