Was ist der Islam? Warum sind Sie Muslim? Diese Frage hört man als deutscher Muslim immer öfters mit erstauntem Unterton. Die Bildersprache der Medien lässt eine bewußte Entscheidung für den Islam als kaum mehr denkmöglich erscheinen. Zu definieren „Was der islam ist“ fällt dabei heute schwerer als klarzustellen „Was der Islam nicht ist“. Viele Nicht-muslimische Gesprächspartner sehen heute den Islam entweder als rückwärtsgewandten Fanatismus oder aber als relativ belanglose Esoterik. Beide modernen Varianten des Islam lassen den Islam für denkende Menschen als irrelevant erscheinen.
Im Dickicht der Meinungen ist es auch schwer eine authentische islamische Lehre auszumachen. Sie würde den Mittelweg des Islam verkörpern. Die öffentliche Wahrnehmung des Islam wird heute vom „politischen“ Islam geprägt. Diese politisch denkende Muslime werden in politischen Kategorien entweder als „demokratisch“ (harmlos-gut) oder als islamistisch(gefährlich-böse) präsentiert. Beide Gruppen haben Wille zur Macht und wollen möglichst viele Muslime repräsentieren. Geträumt wird in weltlich-politischen Kategorien: Einfluß, Macht, Bundestagsmandate, zentralistische Organisationen.
Das Problem beider Varianten ist es, dass sie in der Gefahr stehen die weiteren – sozialen, rechtlichen oder ökonomische Aspekte des Islam als Unterfunktionen ihres „politischen“ Islam erscheinen zu lassen. Das Recht wird zur Unterfunktion der Politik. Die ganzheitliche Substanz des Islam und sein Sinnzusammenhang wird kaum noch gelehrt. Es ist kein Zufall, dass bei der geplanten Zentralinstitution der Muslime, die in Hamburg geplant wurde, weder Lehre noch das Stiftungswesen eine eigentliche und eigenständige Rolle spielen werden. Das alleinige Sagen hat die moderne islamische Politik.
Das Schweigen der Lehre, seien es die Imame oder der „Schaikh-al Islam, ist trotz der heutigen Herausforderungen signifikant. Eine klare, religiös fundierte Stellungnahme zu Selbstmordattentaten oder Terrorismus gibt es bis heute nicht. Was hindert unsere Organisationen die Zusammenkunft der Gelehrsamkeit zu organisieren? Hat man Angst auf Dauer könnten auch die nationalen Eingrenzungen, der Zakat oder andere vakante Themen zur Sprache kommen? Für die Substanz des Islam, für die intellektuelle Lebendigkeit der Muslime ist aber genau diese Debatte und der Wettstreit über den richtigen, geraden Weg unverzichtbar.
Islam ist natürlich nicht nur Politik und nicht nur Kopftuch. Islamisches Leben kann nicht von „oben“ organisiert werden. Seine Relevanz liegt gerade auch in seiner ökonomischen Komponente. Die Moderne ist geprägt von den Auswüchsen des Terrorismus und des Kapitalismus. Islam ist nur relevant, wenn man seine Ganzheitlichkeit herausstellt.