„Um zu verstehen muß man lieben“. J.W. Goethe
Freitagabend in Potsdam: In einem faszinierenden Dia-Vortrag schildert Abdurrahman Reidegeld die Glanzzeit des islamischen Indien, den Höhepunkt des Reiches der Moghuln im 17. Jahrhundert, in der das bedeutendste Grabmal der Weltgeschichte entstand. Das Tadsch Mahal ist weltbekannt und Höhepunkt jeder Indienreise. Weitgehend unbekannt aber ist der historische Hintergrund: Eine Liebesgeschichte, deren ewiges Denkmal das Bauwerk ist. Schah Dschahan, Herrscher über Indien, ließ es für seine verstorbene Lieblingsfrau Mumtaz Mahal, die „Erwählte des Palastes“, errichten, aus übergroßem Schmerz über ihren Tod. Doch als Gefangener seines eigenen Sohnes durfte er es nie betreten.
Bei Kaffee und Kuchen gibt es aber wie immer beim WI auch die Möglichkeit, mit Muslimen aus aller Welt ins Gespräch zu kommen. In Zeiten von „Terror und Terrorismus“ eine eher seltene Angelegenheit. So verbringt man gemeinsam einen Abend in „Indien“. Der Anteil der Muslime an der Formung der Geschichte des indischen Subkontinents wird meist unterschätzt. Doch hat die fast dreizehnhundertjährige muslimische Präsenz auf dem Subkontinent vielfältige kulturelle Beiträge zur indischen Geschichte geleistet; ihre literarischen und künstlerischen Ausdrucksformen sind außerordentlich reich, und alle Strömungen islamischer Kultur spiegeln sich im indischen Islam wider, der sich von Anfang an bis heute durch seine zur Perfektion getriebene Kultur der Liebe auszeichnet.
Am Samstagmorgen gibt Maulana Schaikh Shamsulhuda, den ich in Indien kennenlernen durfte, einen Einblick in das sufisch geprägte Denken der Region. Er beschreibt die islamische Lebenskunst und die Feinheit der Lebensgestaltung. „Der ganze Weg“, so erinnert er uns, ist geprägt von „Adab“: Das korrekte und gute Verhalten, im Bewusstsein dessen, dass man in jedem Moment von Allah beobachtet ist. „Gottesfurcht“ ist damit Quelle der Liebe und des alltäglichen Verhaltens der Muslime. Zu diesem Verhalten benötigt es keinen Sicherheitsapparat, sondern es ist die „natürliche innere“ Lebensweise und Lebenseinstellung der Muslime. Maulana Shamsulhuda erinnert mit unzähligen Beispielen aus dem Leben des Propheten an die Regeln der Gerechtigkeit und dem Respekt vor der Schöpfung. Nachbarschaft, Schöpfung, Mitmenschen – alles in der Schöpfung wird nach der prophetischen Maßgabe gleich geachtet. Neben den formalen Regeln des Islam ist es der Adab, der zum Verstehen und Leben des Islam dazugehört.