„Die Waffen sind das Wesen des Kämpfers selbst“ (Hegel)
Der neue Verteidigungsminister zu Guttenberg wirkt wie im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger Jung, der eher mit dem spröden Charme des Befehlsempfängers und Politsoldaten ausgestattet war, naturgemäß wie ein anderes „Kaliber“. Zu Guttenberg hat die Aura des Erfolgs und der guten Herkunft um sich, wirkt jung und unverbraucht und beherrscht zudem angenehmerweise die Kunst der freien Rede. In der Fernsehsendung „Beckmann“ wirkt Guttenberg souverän, wenn auch nicht ernsthaft gefordert, da die harmlose Fragetechnik des Sportjournalisten Beckmann wie „eingebetteter“ Journalismus wirkt.
Zu Guttenberg nutzte jedenfalls die Gunst der Stunde um die deutsche Öffentlichkeit auf eine härtere Gangart am Hindukusch einzustimmen. Der Vorwurf, die Regierung habe die Öffentlichkeit über die wahren Ziele des Angriffs von Kunduz getäuscht, kann zu Guttenberg mit dem banalen Hinweis entschärfen, dass auch die Opposition schließlich das Selbe tue. Die Interessen der Rüstungsindustrie vor Ort, die geopolitischen Interessen der USA und Indien in der Region, blieben schon gewohnheitsmäßig außen vor. Die Rechtfertigung, man kämpfe auf Seiten der „legitimen Regierung“ Afghanistans und ausschließlich zu Gunsten der Zivilbevölkerung, wirkt in der Marionettenlandschaft der afghanischen Politik und im Licht des gesunden Menschenverstandes sowieso ziemlich weltfremd.
Es gab aber einen Moment, wo auch der Profi zu Guttenberg kurz inne hielt. Es ist das Verb „vernichten“, das Oberst Klein zur Beschreibung seiner militärischen Tat benutzt. Hier stockt auch spürbar der Atem des Ministers: darf der Feind vernichtet werden? Natürlich ist „Vernichtung“ ein beinahe logischer Aspekt eines Krieges, nur ist ein kriegsähnlicher Zustand wirklich auch ein enthemmter Krieg? Dürfen auch Zivilisten, bei der Jagd nach dem Bösen, sozusagen sehenden Auges „mitvernichtet“ werden? Und – nicht unwichtig – wie erkennt man dabei einen Taliban und – vielleicht noch wichtiger, was ist überhaupt ein Taliban?
Neben der für Juristen spannenden Frage, ob rund um Kabul Kriegs-, Völker- oder Strafrecht gilt, stellt sich bei dem Luft- und Drohnenkrieg auch die alte Frage nach dem geistigen Hintergrund der Schlacht. Von Carl Schmitt stammt die folgende abgründige Gleichung über das Kämpfen in der Moderne: „Absolute Vernichtungsmittel erfordern den absoluten Feind“. Es ist an dieser Stelle, wo die ganze Gewalt der Dialektik gegen den – absolut gesetzten Feind – praktisch zum Wirken kommt.
„Wir sind so gut, weil sie so böse sind“ , „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns“, die „Achse des Guten gegen die Achse des Bösen“, „Taliban sind ein politischer Unwert“, es ist diese Rhetorik, die eine moderne Vernichtungslogik letztlich vorbereitet. Wer so offen von der Vernichtung des Feindes spricht, schließt nicht nur Diplomatie aus, sondern teilt auch die moderne Logik aller modernen Ideologien, wie dies John Gray festgestellt hat, nämlich dass eine Welt ohne Feinde, eine bessere Welt sei. Hier im Westen, nach den desillusionierenden Erfahrungen von Abu Ghuraib und Gunatanamo, sollte man sich nicht zu sicher fühlen, dass der moderne Nomos auch eines Tages Lager integrieren könnte, in denen der „politische Unwert“ offen vernichtet und so, im technischen Sinne, die Welt systematisch von dem Bösen befreit wird.
Es gibt also gute Gründe, sich vor dieser Art Denken zu fürchten. Der Schriftsteller Ernst Jünger, selbst im Widerstand gegen Hitler engagiert, hat berichtet, dass in dem Moment, als die Nazis begannen, alle negativen Attribute fiktiv auf die Juden zu projezieren, sich genau diese Eigenschaften real in ihren eigenen Reihen manifestierten. Die Nazis wurden mit diesem negativen, am „Feind“ ausgerichteten und vom „Feind“ abhängigen Denken zu Tieren.
Wo immer man sich heute gegen den Feind definiert und diesen als absolut „Böse“ definiert, man denke beispielsweise an die unversöhnlichen Gegensatzpaare „Anti-Deutsche gegen Antisemiten“ „Hamas gegen Israelis“ , „Zionisten gegen Palästinenser“ oder „Al Qaeeda gegen Amerikaner“, lässt sich erkennen, dass man zunehmend selbst die Techniken anwendet, die das Böse des Feindes gerade ausgemacht hatten. Natürlich steckt auch im muslimischen Terrorismus dieser Zeit das Virus des modernen Feind-Denkens. Dies zeigt sich in der Maßlosigkeit der Taten, im Verrat an den Grenzziehungen des Rechtes und am Mangel an der Liebe zum Propheten, dessen Welt die Absolutsetzung des Feindes und den absoluten Vernichtungswillen gottlob nicht kennt.