Handel und Märkte spielten in der islamischen Stadt schon immer eine große Rolle. Schon Mekka war vor der Zeit des Propheten Muhammad, Allah segne ihn und gebe ihm Frieden, ein wichtiger Handels- und Marktort gewesen. Im Zuge der Ausdehnung des islamischen Gebietes entstand ein einziger riesiger Handelsraum, der sich sich von Andalusien bis nach China erstreckte. Die islamischen Städte waren Umschlagplätze des Fernhandels und Anlaufstellen für die entsprechenden Karawanen. Jedes Stadtzentrum verfügte über einen Suq (Arabisch) oder Basar (Persisch), und daneben gab es, mehr im ländlichen Bereich, noch offene Märkte, die der Versorgung der Landbevölkerung und dem Austausch zwischen Nomaden und Sesshaften dienten. Vielerorts gibt es diese informellen ländlichen Märkte auch heute noch, etwa in Marokko. In der frühen Zeit des Islam waren die Märkte stets informell, das heißt sie fanden an bestimmten Tagen und bestimmten Orten statt, es gab jedoch keine fest installierten oder fest gebauten Marktstände oder Läden, sondern die Anordnung der Marktstände war spontan geregelt, gemäß dem Erstbesetzungsrecht, um den Handel frei und offen zu halten, mit gleichen Möglichkeiten für alle, und Monopolisierungen zu verhindern. Diese Regelung ging auch in den frühen Fiqh, in den Bereich des islamischen Rechts über die Regelungen des Handels, ein. In Städten, die antiken Ursprungs sind und von den Muslimen übernommen wurden, wie Aleppo oder Damaskus, breiteten sich die Marktstände gemäß dem Erstbesetzungsrecht der Frühzeit entlang der bereits bestehenden, relativ breiten Straßen aus byzantinischer Zeit aus, die sich so verengten und nach und nach beiderseits von nun fest installierten Marktständen beziehungsweise Läden, den Hanut, gesäumt werden. Diese sind oft sehr klein und öffnen sich nur zur Straße hin. Die Märkte waren im Islam schon immer Orte der Begegnung und des Austausches – nicht nur des materiellen, sondern auch des geistigen, und es waren und sind die Orte, an denen die neuesten Nachrichten ausgetauscht werden.
Innerer Aufbau Die festen Suqs und Basare waren und sind meist zentral in den alten Stadtzentren gelegen, unweit der zentralen Moscheen. Da die Wohnviertel der klassischen islamischen Städte mit ihren häufigen Sackgassen bekanntlich einen hohen Grad an Privatheit besaßen, waren somit die Straßen der Basare neben den Moscheen die wesentlichen öffentlichen Räume, in denen sich das soziale Leben abspielte und man sich begegnete. Die Gassen der Suqs waren häufig durchsetzt von kleineren Moscheen, Bädern, Qur’an-Schulen und Karawansereien (im Osten Khan oder Han, im Westen Funduq genannt). Letztere waren eine Mischung aus Lagerhäusern und Hotels. Sie dienten dem Warenumschlag des Fernhandels. Waren wurden hier ab- oder umgeladen, es gab Zimmer als Unterkünfte für die reisenden Händler, und die Lasttiere wurden verpflegt. In manchen Städten wie Aleppo, Istanbul und Isfahan entwickelten sich später überdachte Basare, die somit zu geschlossenen Räumen wurden, und die zumindest in ihrem zentralen Teil, der Qaisarija, auch abschließbar waren. In der Qaisarija, die meist im inneren Teil des Suqs, in unmittelbarer Nähe der zentralen Moschee, gelegen ist, befinden sich die besonders hochwertigen Waren, wie Goldschmuck und edle Stoffe. In Istanbul heißt dieser Teil des „Carsi“ (Tscharschi), des Basars, „Bedestan“. In anderen Städten wie Kairo oder Fes blieben die Straßen des Suq mit ihren Haupt- und Nebengassen unüberdacht, wurden jedoch oft aus Gründen des Sonnenschutzes mit Schilf oder ähnlichen Materialien provisorisch überdeckt. Gleichzeitig findet im Basar nicht nur Handel, sondern auch handwerkliche Produktion statt. Handwerke, die größeren Platz benötigen oder ihre Umgebung beeinträchtigen können, wie Gerbereien, Färbereien, Töpfereien oder die Sägewerke, die das Holz für die Weiterverarbeitung im Suq vorbearbeiten, befinden sich eher am Rande der Suqs oder am Rande der Städte nahe der Stadttore. Innerhalb der Gassen des Suq konzentrieren sich in der Regel bestimmte Branchen in in bestimmten spezialisierten Straßen oder Bereichen, etwa der Suq der Stoffhändler, der Suq der Gewürzhändler, der Buchhändler, der Lebensmittelhändler und so weiter. Anders als in europäischen Städten gab es in der klassischen islamischen Stadt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine größeren Platzanlagen. Als solche dienten vielmehr die Höfe der Moscheen und in kleinerem Umfang die der Madrassen oder Karawansereien. Der zentralen Moschee im Stadtzentrum waren in der Regel soziale und wohltätige Einrichtungen angegliedert, wie Bäder und Armenküchen, Schulen und Herbergen, welche meist auf Stiftungen beruhten. Aber auch die Einnahmen gewerblicher Bauten konnten in Stiftungen fließen. Dadurch entstand eine enge ökonomische Verflechtung der Moschee und ihrer Stiftung mit der umliegenden Stadt. Durch diese wurde der Erhalt der wohltätigen Einrichtungen langfristig gesichert, und gleichzeitig waren große Teile der Innenstädte durch den Stiftungsbesitz gewissermaßen dem Markt entzogen, was erheblich zur Persistenz der alten Stadtzentren beitrug. Die großen Moscheen des Stadtzentrums, insbesondere die zentrale Freitagsmoschee, gehen mit ihren Nebengebäuden eine organische Verbindung mit den Bauten des umgebenden Marktes beziehungsweise der übrigen Stadt ein. So ist die Moschee oft von außen gar nicht als gesonderter Bau erkennbar, sondern nur durch ihre offenen Portale, die vom Markt aus den Weg zu ihrem Inneraum freigeben.
Das Raumgefüge und Raumgefühl Die islamischen Stadtzentren waren ein „dichtes Gewebe von eng miteinanden verknüpften Aktivitäten und Bauten, das mehr durch das Gleichgewicht der natürlichen Lebensvorgänge als durch formelle Planung bestimmt war“, schreibt der Architekt Stefano Bianca, einer der profundesten Kenner islamischer Architektur und Stadtplanung. Er hebt zudem als besonderes Charakteristikum hervor, dass jede einzelne bauliche Struktur fähig war, „sich als Baustein in einen zusammengesetzten Verband von Bauten und Räumen einzugliedern, der gleichsam das gesamte Stadtzentrum überwölbte und seinerseits im umfassenden Stadtgefüge aufging.“ Dies steht auch in Zusammenhang mit der dem Islam eigenen Verbindung zwischen Religion und Alltag, so Bianca. In der Nähe der zentralen Moschee und damit auch im Zentrum des Marktes finden sich die dieser Lage angemessenen Gewerbe und Handwerke, wie Buchhändler und Buchbinder, der Händel mit Weihrauch und Duftstoffen, und ebenfalls nicht allzu weit davon entfernt befindet sich in der Regel die Qaisarija mit ihren hochwertigen Waren, von denen die feinen Stoffe noch wichtiger waren als Gold und Schmuck. Man kann sagen, dass in die Maschen des Netzes der Marktgassen die Moschee, die Madrassen, Karawansereien und andere Gemeinschaftsbauten als autonome Mauergevierte wie „Waben“ eingelassen sind, die nach außen hin aber zumeist unscheinbar sind und sich mit ihrer für die islamischen Städte typischen Nach-innen-gekehrtheit erst dann ganz erschließen, wenn man von der Gasse her durch eines ihrer Tore eingetreten ist. Zwischen dem pulsierenden Leben in den Marktgassen und der Ruhe, die etwa in den Moscheen herrscht, welche man von der Straße aus betreten kann, besteht eine gewisse Spannung, sodass man, wie Stefano Bianca es beschreibt, mit dem Durchschreiten des Portals wie in eine andere, eigene Welt eintritt und das Markttreiben hinter sich lässt: „Man verlässt jeweils die ‘Außenwelt’, um in eine neue ‘Innenwelt’ einzugehen.“ Und dennoch gehören beide „Welten“ zu einem Ganzen, sind zwei Aspekte der einen, von der Transzendenz durchdrungenen, Wirklichkeit; „Kontraste einer lebendigen Ordnung, wo die Gegensätze paarweise zusammenwirken und sich zu höherer Einheit verbinden“.
Literaturhinweis: Bianca, Stefano: Hofhaus und Paradiesgarten. Architektur und Lebensformen in der islamischen Welt. Verlag C.H. Beck, 1991. ISBN: 3-406-34919-6