Vor jeder Reflektion oder Kritik am organisierten Islam in Deutschland muss natürlich für alle beitragende Akteure zunächst die Selbstkritik stehen. Salopp gesagt, nobody is perfect. Natürlich ist es legitim, sich an den inhaltlichen Debatten zu beteiligen und auf diverse Widersprüche hinzuweisen. Dabei wäre eine echte innerislamische Debatte – gegenüber dem Austausch von Pressemitteilungen – sicher der bessere Weg, um gemeinsam auf dem Teppich zu bleiben.
Das Scheitern des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland als zentrales Koordinierungsgremium der Muslime auf Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenner ist nicht wirklich überraschend. Dies hat übrigens relativ wenig mit den involvierten Persönlichkeiten zu tun, sondern mit den unreflektierten Techniken der Macht, an die uns der politische Islam über die Jahre gewöhnt hat.
Es wäre ein Feld für sich, über die Phänomene „islamischer“ Staat und „islamischer“ Verein und den aus diesen Formen entstehenden Habitus grundsätzlich nachzudenken. Die Forderung des Zentralrates der Muslime in Deutschland, den „Islam“ in das Staatswesen zu integrieren, hat zumindest eine – von dieser Politik nicht einmal bemerkte – philosophische Konsequenz. Es wäre gut, wenn Muslime derart unbedachten Umgang mit Terminologie kritisch begleiteten. (In diesem Kontext müsste man zum Beispiel darüber nachdenken, warum Hegel als Dynamik einer säkular-bürgerlichen Gesellschaften insbesondere Vereine und Kleinfamilien nennt)
Hierher – als zur Frage nach den Ursprüngen und Techniken der Macht – gehört auch das Abwägen über die natürliche Spannung zwischen lokaler Basis und zentralisierter Institutionen.
Da muslimische Verbände sich ihrer inneren Struktur nach über die eigene Machtsteigerung definieren, war die Idee einer politischen Einheit fragil. Die unterschiedliche Mitgliederzahlen der Beteiligten hätten zudem jeden demokratischen Prozess zu dieser politischen Einheit ad absurdum geführt. Eine starke, gar den Verbänden übergeordnete, Führungsebene des Koordinationsrates war auf dieser Grundlage des Politischen von vornherein undenkbar. Unter diesen Umständen durfte der KRM weder finanziell, noch personell wirklich erstarken.
Jetzt scheint es wohl zumindest ehrlicher, die plurale Struktur unserer Gemeinschaften zu akzeptieren. Das Ausloten gemeinsamer Interessen sollte dies natürlich nicht ausschließen. Wichtiger denn je sind heute die anderen, unverzichtbaren Elemente islamischen Zusammenlebens: die Stiftungen zum Beispiel, die Querverbindungen zwischen uns Muslimen herstellen und sich bewusst dem Machtspiel entziehen.
Als Organisationsmodell der Basis, die den höchsten gemeinsamen Nenner sucht, zum Beispiel die Zakat, bietet sich sich von jeher die lokale Moscheegemeinde an. Hier geht es weniger um Repräsentation, als um die alltäglich gelebte und immer mögliche Einheit im Rahmen überzeugender Wissensvermittlung. Eine starke Basis wird dann auch ohne Mühe die Verhältnisse umkehren; also von unten nach oben ermächtigen, statt von oben nach unten dominiert zu werden.