„Die durch das Spektakel prinzipiell geforderte Haltung ist diese passive Hinnahme, die es schon durch seine Art, unwiderlegbar zu erscheinen, durch sein Monopol des Scheins faktisch erwirkt hat.“ (Guy Debord, Das Spektakel)
Das Spektakel um den Schwarzen Block und die Diskreditierung des Protestes durch Kriminelle drängen die wichtigen Fragestellungen rund um den G20-Gipfel in den Hintergrund. Stattdessen beherrschen simple, dialektisch in Szene gesetzte Bilder die Medien.
Foto: Kremlin.ru
Es ist kein Zufall, dass Nachbetrachtungen des Gipfels in erster Linie in eine Debatte über die politische Reaktion auf die Gewalt münden. Das absehbare Ergebnis: die Forderung nach mehr Staat, Polizei und weiterer Überwachung.
Die kriminell motivierten Revolten unserer Tage schaffen – nebenbei bemerkt – ein asymmetrisches und dominantes Bild, das zum integrierenden Teil der Inszenierung wird: auf der einen Seite die angeblich vernünftig planende Weltregierung, auf der anderen Seite der irrational agierende Mob. Gewalttäter aller Couleur bilden die Legitimationsgrundlage für das Modell eines autoritären Kapitalismus.
Neben der Empörung über die offene Gewalt im Hamburger Schanzenviertel bleibt die Grundfrage der friedlichen Demonstranten aber nach wie vor aktuell: Inwiefern repräsentieren die 20 größten Industrienationen der Welt heute selbst ein Gewaltpotenzial?
Die konkrete Frage nach der Ethik der Geldproduktion der Industriestaaten und ihrer Zentralbanken wurde in Hamburg, immerhin nach der größten Finanzkrise der Menschheitsgeschichte, noch nicht einmal mehr angedacht. Das Gewaltpotenzial einer globalen Ökonomie, deren treibendes Element die wundersame Geldvermehrung ist – sie also die Schaffung gigantischer Geldmengen und in ihrer Entstehungsgeschichte die Trennung von Kapital und Verantwortung repräsentiert – bleibt im politischen Diskurs demnach mehr oder weniger ausgespart.
Die Macht der Industriestaaten zeigt sich heute insbesondere in ihrer Definitionshoheit über Begriffe wie „Freihandel“ und „offene Märkte“. De facto wird der sogenannte „freie“ Handel inzwischen vor allem von Monopolen und monopolartigen Strukturen und ihren globalen Interessen bestimmt. Selbstredend haben die anwesenden muslimische Führer kaum Impulse anzubieten. Sie agieren selbst unter neoliberalen und nationalistischen Vorzeichen. Sie repräsentieren so eher hybride Gebilde – mit mehr oder weniger religiösem Anstrich.
Die G20-Staaten agieren so auf der ökonomischen Ebene ohne echte, elementare Unterschiede unter dem Druck der globalen Märkte, deren politische Kontrolle im Grunde entglitten ist.