Die taz hat es auf den Punkt gebracht: Das Entsetzen über die abscheuliche Tat in Norwegen hat gleich zwei Dimensionen. Zum einen das menschliche Mitgefühl mit den Opfern, zum andern das Schaudern über die „Anschlussfähigkeit“ der Tat mit der in Europa leider „salonfähig gewordenen“ Islamophobie. Die Tat kommt nicht aus dem Nichts. Wie Ringe einer Zwiebel umgeben geistige Zirkel den inneren Kern, den militanten Flügel der Islamkritikszene. Der Täter hatte die Brodersche Kampfschrift „Hurra, wir kapitulieren!“ (natürlich) gründlich missverstanden und auf zynische Weise verkehrt.
Jetzt gilt ironischerweise die gleiche Assoziationslogik – die Muslime in die Nähe des Terrorismus gerückt hatte – für die islamkritische Szene selbst. Sie muss nun – ähnlich wie die Muslime – natürlich öffentlich die Linie gegenüber der Gewalt ziehen, aber sich auch gegen absurde Assoziationsketten wehren. Natürlich lehnt die absolute Mehrheit der Islamkritik die Anwendung von Gewalt ab. Natürlich gibt es keinen christlichen Terrorismus. Keine grobe Assoziationslogik oder ein Generalverdacht darf dazu führen, die allgemeine Meinungs- oder Religionsfreiheit in Europa zu gefährden. Leider muss man auch – ohne gleich polemisch zu werden – feststellen, dass nicht alle Islamkritiker Terroristen sind, aber alle rechte Terroristen islamkritisch.
Dass es eine Nähe zwischen rechtem Gedankengut und Terror gibt, zeigen unzählige Blogeinträge schon heute. In den einschlägigen Internetseiten kommt das Bedauern mühsam und wird oft nur über die Folgen der Tat für die eigene Taktik spekuliert. Aber natürlich ist klar, dass die größte Gefahr von losgelösten Einzeltätern ausgeht. Das Verbrechen in Norwegen passt in das Bild eines abgründigen Individualismus moderner Wahntäter, die ihre eigene „Religion“ gründen und außerhalb der Gemeinschaft Maß und Mitte verlieren. Kein Glaube kann vollständig individualisiert werden und gar durch eine Minderheit „Erleuchteter“ verbreitet werden. Der beste Schutz vor diesem Wahnsinn ist eine Gesellschaft, die sich nicht durch Extreme bestimmen lässt. Hierzu gehört die Möglichkeit, das Gespräch immer offen zu halten und nicht durch Feindbilder und grobe Assoziationen unmöglich zu machen. Eine der bedauerlichen Erfolge der Islamkritik ist, die Gesprächsatmosphäre zwischen Muslimen und Kritikern zu vergiften.
Wir Muslime müssen weiter daran arbeiten, als ein konstruktiver Teil der Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Mit Gewalt geht das nicht. Wir müssen besser zeigen, wofür wir sind, als dass wir die Szene nachahmen, die nur zeigen kann, gegen wen sie ist. Jede Freund-Feind Ideologie, von wem immer sie angewendet wird – führt geradewegs in den Terror.