Fortlaufende Berichte über die Terrorgefahr in Deutschland zeigen Wirkung: „Die Angst vor Muslimen steigt“. Dies ist ein Ergebnis einer Studie von Kommunikationswissenschaftlern der Universität Jena, die jetzt unter dem Titel „Inszenierter Terrorismus“ erschienen ist. Das Team um Prof. Dr. Wolfgang Frindte und Nicole Haußecker hat von August 2007 bis Februar 2009 die Hauptnachrichtensendungen der Fernsehsender ARD, ZDF, RTL und SAT1 zum Thema Terrorismus aufgezeichnet und nach einem umfassenden Raster analysiert.
Die Berichterstattung spielt im Grunde mit einer Binsenweisheit. Es wird natürlich auf Dauer nicht ausschließbar sein, dass es eventuell auch in Deutschland einen Anschlag geben könnte. „Religiöse Attentäter“, so schreibt Manfred Schneider in seinem Buch über „das Attentat“, werden durch ihre Gewissheiten wahnsinnig und sind zu allem bereit. Die Gesellschaft muss sich dafür hüten, so Schneider, unter dem Eindruck der „theoretischen“ Gefahr selbst paranoid zu werden.
Aber auch der Staat selbst kann sich verändern und ein mit der Gefahr korrespondierendes System etablieren. Schneider: „Dieser bis an die Zähne bewaffnete Verdacht der Macht selbst errichtet Ämter und riesige Behörden, beauftragt unzählige Videoaugen, die die vielgestaltigen Feinde des Staates beobachten, oder, wenn sie fehlen, auch erfinden; revolutionäre Parteien, radikale Gruppen, politisch oder religiös motivierte Terroristen, feindliche Staaten und deren Geheimdienste, die tatsächlich bisweilen Mörder auf den Weg schicken.“
„Terrorismusgefahr in Deutschland ist ein Risiko“, fasst Frindte ein Ergebnis seiner Fernsehanalyse zusammen. Entscheidend ist was man daraus macht. Hier spielt die Inszenierung eine Rolle: „Zukünftige Ereignisse werden interpretiert als gegenwärtige Gefahren – und damit wird der Terror inszeniert“. Dies führt dazu, dass die Zuschauer permanent eine unspezifische Bedrohung empfinden. Und je bedrohter sich Menschen fühlen, umso ängstlicher werden sie.
Überraschend war für die Jenaer Forscher allerdings, dass die befragten Zuschauer trotz des Bedrohungserlebens nicht verstärkt nach Anti-Terrormaßnahmen riefen. Dies werde vor allem von Personen gefordert, die bereits vorher ,den Kampf gegen den Terrorismus‘ unterstützen. Und wenn es beide Meinungsseiten gibt, ist es nicht verwunderlich, so Nicole Haußecker, dass Terroristen und deutsche Terrorbekämpfer, wie Innenpolitiker, selber an der Terrorismus-Inszenierung beteiligt sind – naturgemäß mit unterschiedlichen Zielen. „Nur so erhält der Terrorismus seine Form und kann seine Wirkung entfalten“.
Das Dilemma der Politik ist nun, dass sie praktisch seit Jahren nie Entwarnung geben kann. Vier Wochen nach seiner spektakulären öffentlichen Terrorwarnung sieht Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) naturgemäß noch „keinen Grund zur Entwarnung“. Er halte es auch für taktisch falsch, jetzt einen Zeitpunkt dafür anzukündigen, sagte der CDU-Politiker dem „Spiegel“. Die Wirkung seiner Hinweise begrüßte er: Viele Bürger fühlten sich nach Umfragen seitdem (angeblich) sicherer. „Das ist“ behauptet de Maiziere „ein schöner Sieg über die psychologische Kriegführung der Terroristen.“
Für die Muslime bleibt die Paranoia gefährlich. Die Berichterstattung in allen Sendern setzt ihren Schwerpunkt darauf, dass „die größte Gefahr vom islamischen Terrorismus ausgeht“, hat Prof. Frindte ermittelt, wenngleich dies vor allem von den Zuschauern der Privatsender so gesehen wird. Verbunden wird diese unterschwellige Nachricht mit der Botschaft, nur eine Verstärkung der militärischen und Sicherheitsmaßnahmen würde dagegen helfen. Damit verknüpften die Medien – noch weit vor der Sarazzin-Debatte – das Thema Terrorismus und Muslime und schürten so die Angst vor Muslimen. „Wir zweifeln nicht an der Terrorismusbedrohung“, betont Prof. Frindte, „aber sie geht immer von kleinen Gruppen aus“. Und daher rät der erfahrene Kommunikationspsychologe den Medien auch: „Wenn es um solche Risikokommunikation geht: Den Ball flachhalten!“.