In Toronto fand im Dezember zum 10. Mal die Veranstaltung „Revive The Islamic Spirit“ statt. Das Treffen in Nordamerika wird seit einigen Jahren privat organisiert und war dieses Jahr zum ersten Mal komplett ausverkauft. Die Veranstalter können, dieses Jahr mit einem ordentlichen Gewinn ausgestattet, positiv in die Zukunft sehen. Eine gute Gelegenheit für mich und natürlich auch für zahlreich angereiste Gäste aus aller Welt, die Situation der Muslime in Nordamerika nachzuvollziehen. Kanada ist ja für viele Muslime längst eine weltoffene neue Heimat geworden.
Was mit gut gefiel war, dass die Veranstaltung versuchte, nicht nur auf die bekannten Ereignisse zu reagieren, sondern auch eigene Themen zu besetzen und in die amerikanische Gesellschaft zu tragen. Kurzum, es gab nicht nur die üblichen Reaktionen, sondern auch Aktionen, also den gemeinsamen Versuch, eigene Themen, durchaus mit dem Anspruch auf Meinungsführerschaft, zu besetzen. In diesem positiven Ansatz lagen die eigentlichen Anreize des Treffens.
Zahlreiche bekannte Redner und Gelehrte, unter anderem Tareq Ramadan, Schaikh Hamza Yusuf und Yusuf Islam, zogen an jedem Tag immerhin bis zu 20.000 Besucher an.
Gerade die Teilnahme tausender junger Leute zeigt den großen Bedarf an Gemeinschaft und lebendiger Wissensvermittlung. Über Stunden hörten die Zuhörer konzentriert den Ausführungen der Redner über die Lage der Muslime zu. Nicht alles war gleich spannend, aber in beinahe jedem Beitrag war doch ein guter Impuls. In der Nebenhalle fand ein bunter Markt mit vielen Händlern und Info-Ständen statt.
Einer der Höhepunkte der Veranstaltung war sicher die engagierte Rede von Schaikh Hamza Yusuf über das Verhältnis der Muslime zu „Fair Trade“ und der aktuellen Finanzkrise. Der Gelehrte erinnerte, dass der Islam zu großen Teilen über ökonomische Grundlagen lehrt und den Handel im gegenseitigen Konsens anstrebt. Dabei stellte er viele Bezüge zur Offenbarung, dem Recht und der Lebenspraxis der Muslime her. „Unser Prophet war auch ein Händler“, stellte er klar. „Die Art, wie und was wir konsumieren, hat eine große Bedeutung für unser Leben“ erinnerte Hamza Yusuf weiter.
In seinem rhetorischen Feuerwerk kritisierte Yusuf nicht nur die Währungspolitik der Banken, die irrationalerweise Geld aus dem Nichts geschaffen haben, sondern rief die Muslime auch auf, aus ihren Quellen heraus ökonomische Alternativen anzubieten. Kurzum, so könnte man aus dem Beitrag folgern, es wird Zeit, dass durch aktive Beiträge der Islam nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung vermittelt wird. Hierzu gehört sicher auch der Handel mit dem islamischen Dinar und Dirham, der gerade in Asien eine Renaissance erfährt. Leider hat der „organisierte“ Islam in Deutschland diese dramatischen Entwicklungen zwischen aktueller Finanzkrise und offenbartem Wirtschaftsrecht bisher komplett verschlafen.
Großes Thema war natürlich auch die Überwindung der despotischen Regimes in der arabischen Welt und die Risiken und Chancen, die daraus entstehen. Wie wird sich die „Facebook-Revolution“ in der realen Welt weiterentwickeln? Tareq Ramadan rief zunächst zur Solidarität mit den Muslimen in den arabischen Ländern auf, die unter staatlicher Verfolgung litten und jetzt mit Hilfe sozialer Netzwerke ihre Lage dokumentieren können.