Zwischenstopp in Dubai. Die Stadt hat alle Mühe, die stetig wachsenden Ströme von Kunden, Touristen, Verkehr und Daten aufzunehmen. Überall sind Baustellen eingerichtet, um die Adern der Stadt zu verbreitern. Das Ideal der Beschleunigung wird allein durch die Gebetsrufe unterbrochen. Zum Abendgebet wachsen, teilweise zum Preis vollständiger Entschleunigung, die Verkehrsströme noch einmal an, um alle rechtzeitig zum Fastenbrechen ankommen zu lassen.
In vielen Häusern stehen im Garten Ramadanzelte. Dort kann man mit Nachbarn, Bekannten, Unbekannten oder Freunden eine einfache Mahlzeit zu sich nehmen. Nach dem Gebetsruf werden Datteln gereicht, man nimmt einen Schluck Wasser und ein paar Hände voll Reis zu sich. Es wird dabei kaum gesprochen. Gemeinsam geht man in die nächste Moschee zum Abendgebet; erst dann ist die Ruhe vollkommen. Es ist wohl allein diese Gelassenheit im Gebet, die über die Jahre des hektischen Booms unverändert geblieben ist.
Dubais Erfolg ist unübersehbar. Die Stadt wächst in alle Richtungen, ins Meer hinaus auf neuen Inseln, auch nach oben. Der Burj Arab soll sogar bald das höchste Gebäude der Welt werden. Eine Skihalle inmitten der Wüste deutet an, dass die Verortungen der Moderne alte Zusammenhänge und Gewohnheiten auflösen. Einige Unkenrufe, der gewaltige Immobilienrausch sei auf Sand gebaut, verhallen ungehört. Unbegreifliche Mengen an Geld haben Investoren hier zusammengetragen, um das alte Wüstennest zu einer kosmopolitischen Metropole auszubauen.
Bei aller Goldgräberstimmung sind es aber immer noch die ursprünglichen Regeln des Ramadans, die den sozialen Status des Gemeinwesens beeinflussen. Tagsüber stehen die gut gefüllten Einkaufshallen, als wären sie gerade abgeschafft worden, leer und unbenutzt unter der Sonne. Trotz der weit verbreiteten Herrschaft des Geldes, die unsere Zeit ja letztlich ausmacht, werden auch die alten Tugenden der Enthaltsamkeit, Großzügigkeit und Gastfreundschaft, die die Charaktere der Menschen hier auszeichnen, gepflegt.
Sidi ‘Ali Al-Jamal, ein Gelehrter aus Fes, der im 18. Jahrhundert lebte, spricht über den zeitlosen Zusammenhang der Selbstkontrolle und des materiellen Reichtums.
„Wisse, dass über das Ego zu verfügen so ist, wie über Geld zu verfügen. So wie der Eigentümer des Geldes damit machen kann, was er will, so kann der Eigentümer des Selbst damit machen, was er will. Unter den Leuten des Geldes ist der Eine, der der Sklave seines Geldes ist, und er hat keine Autorität über sein Geld, weil das, was er liebt, das Geld ist, und wer kann großzügig sein mit dem, was er liebt? Da ist aber auch derjenige unter ihnen, dessen Geld ihm dient. Wir sprechen über ihn, weil er ein Eigentümer ist und kein Sklave. Dieser wird sein Geld los und bringt es überall hin. Die Leute des Selbst sind ebenfalls in zwei Gruppen – eine Gruppe, die sich selbst versklavt und keine Kontrolle über sich hat, und so beherrscht wird, und eine Gruppe die über ihr Selbst verfügt. Wir sprechen nur über denjenigen, dem sein Selbst gehört und somit darüber verfügen kann, so wie die Leute der Besitztümer über ihren Besitz verfügen. Es ist auch Besitz. Wir sprechen über Könige.“