Nur wenn man naiv ist, überraschen die Bilder über Folterungen im Irak. Weil die Bilder in Medien erscheinen und die Demütigung uns einmal direkt aus unseren Bildschirmen anspringt muß man nun eine menschliche Reaktion zeigen. „Gegen Systemfehler kann man nichts tun“ heißt es bald, eher technisch als politisch korrekt. Schon vorher ist uns natürlich aufgefallen, dass wir nichts erfahren sollen über die Zahl ziviler Opfer, über zerstörte Familien die unser „demokratischer“ Feldzug kostet. Wir haben auch schweigend den europäischen Rassismus wiedererkannt, der sich heute durch die Teilnahmslosigkeit gegenüber dem nicht-westlichen Opfer, das nicht durch die Teilnahme an unserer Wohlstandszone priveligiert ist, offenbart. Auch die brutale Zerstörung des Dorfes zur Liquidierung des Hauses des Verbrechers ist anerkannter Nicht-Standard. Insofern ist bereits die Steinzeit, wenn auch mit modernen Massenvernichtungswaffen, zurückgekehrt.
Wir wollen davon nichts hören, geschweige denn Verantwortung übernehmen. Unser Dilemma sitzt tief, sind wir doch alle mit jedem Tropfen Benzin der in unsere Tanks fließt an dieser sich alternativlos gebenden Politik beteiligt. Wird wirklich alles gut? Sehen wir nur die Vorstufen weiterer menschlicher Erniedrigung, auf die man uns lautlos aber effektiv vorbereitet, unter dem Zwang eines Energiebedarfes des entfesselten Kapitalismus der täglich steigt?. Werden bald werden auch eine Milliarde Chinesen das Recht einfordern „Demokratie“ zu verbreiten?
Zu den Berichten über Folterungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten schreibt die Mailänder Zeitung «Corriere della Sera» heute:
«Die Übergriffe im Irak öffnen einen Blick in die gewalttätigen Abgründe, von der eine Demokratie möglichst nichts wissen will, und sprechen zugleich ein geheimes Thema an, das denjenigen westlichen Ländern bekannt ist, die dem Terrorismus gegenüberstehen wie etwa Frankreich, Italien, Deutschland und Israel. Das Gesetz, internationale Konventionen sowie die Moral verbieten den Einsatz der Folter gegen Kriegsgefangene.
Aber was ist mit dem großen Druck, Anschläge zu verhindern? Mit den Drohungen, damit ein Verdächtiger Geständnisse macht? Mit den psychologischen Erniedrigungen? Die Argumente dazu sind widerlich und die öffentliche Meinung weigert sich, sich mit ihnen zu beschäftigen.»
Nach dem Zusammenfall des Regimes Saddam Husseins sind die Iraker nicht nur endgültig illusionslos, sondern erinnern sich zu Recht an die verdrängte Vorgeschichte des Konfliktes: Saddam und die USA, wer war Lehrer, wer war Schüler? Die planetarische Strategie des amerikanischen Militärapparates zeigt nun unverblümt sein nihilistisches Antlitz und die Arroganz seiner Allmachtsphantasie. Und die alte Menschenrechtstheorie? Sie schimmert fahl im Licht einer modernen Politik, die zunehmend einer radikalen Eigenermächtigung des Menschen gleichkommt: Söldnern werden von jeder rechtlichen Bindung befreit, Gefangene wird jedes Recht genommen. Die moderne Welt hat längst wieder ihre Lager und Folterkammern. Wir können nicht alle Lager orten, aber wir wissen alle vom Ende der alten Ordnungen.