„Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ – dieses Credo erscheint neuerdings in vielen Facetten. Bei Anne Wills Klatschrunde über den umstrittenen Afghanistaneinsatz am letzten Sonntag lernte man eine aktuelle Variante kennen: Wer nicht für die bedingungslose Fortsetzung des Afghanistaneinsatzes ist, ist gegen die deutschen Soldaten! Noch schlimmer: weil man dann ja die gleiche Meinung hat wie Gysi, ist man dann per Assoziationsschluß entweder „Kommunist“ oder, wie es die Grünen-Strategin Müller in der Sendung Roger Willemsen vorwarf, „ein verkappter Talibanförderer“.
Diese Art der Dialektik, im Rahmen einer Art Dolchstoßlegende, tut schon weh. Gewohnt schlagfertig setzte Roger Willemsen die Kritik an der Kritik in den richtigen Kontext: „Das ist etwas, was ich nicht nur infam finde, sondern was mich in die schlimmsten Assoziationsketten der Propaganda bringt, zu sagen: Wer diesen Krieg kritisiert, ist Teil der Taliban oder arbeitet ihnen zu“. Ähnlich entlarvend argumentiert auch die Frankfurter Rundschau: „Die Komplexität des Problems, also des Kriegsgrundes, verschwindet zugunsten einer weltfremd pauschalen Bezeichnung für alles Feindliche, hier: «die Taliban». Wer nachfragt, wird symbolisch ausgeschlossen aus der Gemeinschaft der Patrioten und Freiheits- Verteidiger. Wer den Ausgang aus dem Krieg sucht, gilt als naiv, gefährlich oder gefährlich naiv. Allgemein gesagt: Die Front hat sich längst in die Heimat geschlichen. Und das hat keiner Demokratie je gutgetan.“
An der Heimatfront muss man weiterhin, eigentlich Banales, ausdrücklich sagen: „auch wer den Krieg, auf dem Rücken der Soldaten ausgetragen, sinnlos findet, muss nicht kalt gegenüber dem Leiden deutscher Soldaten bleiben“. Im Gegenteil, man sollte angesichts des Sterbens junger Soldaten und natürlich vieler namenloser, unbeteiligter Zivilisten, erst recht seinen Intellekt mobilisieren, um diese Tragödie zu beenden.
Schräg wirkte auch bei Anne Will die „Vernichtungslogik“ des Historikers Wolfssohn, der in der Forderung nach der Liquidierung des terroristischen Feindes im Grunde nur den „ewigen Krieg“ gegen das Böse verkündete. Unklar blieb dabei, ob man auch künftig Dörfer zu bombardieren hat, so lange dort ein „Taliban“ versteckt sein könnte. Natürlich muss diese Ideologie, um überhaupt fernsehfähig zu sein, mit der allgemeinen Dämonisierung des Feindes einhergehen oder aber die schlichte Angst schüren. Man stelle sich nur vor: ein flüchtendes Kamel, ein wirrer Taliban, ein geklauter, verstaubter Koffer mit dem Knopf für die pakistanische Atombombe!
Wer überhaupt Feind und Freund ist, bleibt nicht nur rund um Kundus vage, wo auch Kriegsverbrecher wie General Dostum und global vernetzte Drogenhändler irgendwo auch Alliierte sind. Entwicklungsminister Niebel sprach nicht von Korruption oder Schurkenwirtschaft, sondern von „Sicherheit“ und „zivilem Aufbau“ – irgendwie auch von der völkerverbindenden Magie des Geldes, das alles gefügig machen soll. Wie eine angenehme, bürokratisch korrekte Zivilgesellschaft im Vielvölkerstaat aussehen soll, insbesondere nach dem Abzug der Amerikaner 2011, konnte auch er nicht annähernd beantworten. Ganz unter den Tisch fielen kleine Sensationen, wie dass keiner der berühmten Terroristen bisher einen afghanischen Pass trug und dass es wohl noch einige andere Weltecken gibt, wo verrückte konvertierte „Indianer“ künftig die virtuellen Trommeln schlagen könnten.