Ende letzten Jahres (am 28. Dezember), so lese ich heute, verstarb die Geldkritikerin Margret Kennedy. Das ist ein Verlust für alle Bürger, die an einer sachlichen Debatte über alternative Währungen und Zahlungssysteme in Europa interessiert sind. Ihre Positionen waren für einige Jahrzehnte wichtige Denkanstöße einer bemerkenswerten Frau, die nicht zuletzt auch für die Entideologisierung der Geldfrage eintrat.
Weit vor dem 2007 einsetzenden und allgemeinen Gerede über die „Finanzkrise“ hatte die couragierte Gelehrte die eigentlichen Systemfehler unseres Geldwesens bereits erkannt und angesprochen. Obwohl sie der ökologischen Frage nahestand, erkannte sie bereits 1982, dass die breite Anwendung von ökologischen Prinzipien durch Systemfehler im herrschenden Geldsystem behindert werden – insbesondere durch den aus dem Zins und Zinseszins resultierenden Wachstumszwang. Die damalige Grundidee der grünen Bewegung, eine „böse“ Technologie durch eine „gute“ zu ersetzen, ergänzte sie mit der Analyse, wonach ein nachhaltiges, ökologisch bewusstes Dasein nur auf Grundlage eines Verstehens der Finanztechnik sinnvoll ist. Kurz gesagt, ausufernde Papiergeldmassen, die zu einer Monopolisierung der Märkte führen, und die Idee einer intakten Umwelt schließen sich aus.
Mit ihrer fundierten Zinskritik waren ihre Bücher gerade auch für Muslime sehr lesenswert; insbesondere, weil der islamische Modernismus – mitsamt dem islamischen Bankwesen – die Geldfrage entweder ignorierte oder nicht mehr in seiner Systematik verstand. Das Verständnis, wonach es auch eine Ethik der Geldproduktion gibt, blieb vielen Muslimen, gerade jenen, die unter dem Einfluss des „politischen Islam“ standen, zutiefst fremd. Die Kernargumente von Prof. Kennedy drehten sich dagegen um die ökonomischen Gesetze unserer Zeit, die Unmöglichkeit „endlosen Wachstums“ zum Beispiel oder um das Logikproblem eines „exponentiellen Wachstums“. Last but not least, berührte dieses Denken auch die Fundamente dessen, was wir heute unter Gerechtigkeit verstehen.
Ihr Kernansatz, den sie früh vertrat, blieb in der deutschen Tagespolitik ungehört und wurde erst in den Tagen der Geldkrise populärer. Den politischen Skandal definierte sie immer wieder so: „An den Zinsen verdienen nur 10 Prozent der Bevölkerung. 90 Prozent der Menschen verlieren über die Zinsen, die in allen Preisen und Steuern enthalten sind“. In der taz fasste sie noch neulich ihre Überzeugung rund um den Zins zusammen: „Ich habe den Zins und Zinseszins als eine unsichtbare Zerstörungsmaschine entdeckt.“
Von dieser Klarheit konnte man lernen, war doch die Sorge um die Moralität des Geldes, das Fundament unserer Ökonomie und unseres Handelns – gerade in muslimischen Kreisen – oft genug von einer Hysterie um Nebensächlichkeiten oder Kleidervorschriften abgelöst worden. Mit wissenschaftlicher Akribie schaffte sie so ein Bewusstsein, was der Zins alltäglich bewirkt und wie wir alle in das Zinssystem – ob wir wollen oder nicht – involviert sind. Dabei ging es ihr nicht darum, eine Massenbewegung auszulösen oder gar eine Partei zu gründen. Margaret Kennedy setzte allein auf die Einsicht der Stützen der Gesellschaft.
Ein wichtiger und sympathischer Beitrag Kennedys war ihr Einsatz für „regionale Währungen“, die sie auch als Gegengewicht gegen die globale Inflationskultur sah. Geld als Teil einer authentischen Lebenspraxis, ein Symbol des fairen Handels, Geld dass die Schöpfung ehrt und die Nachbarschaft pflegt, war so das Credo einer dem Menschen zugewandten Geldphilosophie.
Fern von blinder Nachfolge und natürlich auch unter Berücksichtigung wichtiger Unterschiede bleiben die Lehren Silvio Geselle – also die wissenschaftlich fundierte Ablehnung des Zinses und die österreichische Schule, insbesondere ihre Argumentation für goldgedeckte Währungen – wichtige Brücken für die Wiederentdeckung des islamischen Wirtschaftsmodells. Der Islam umfasst dabei nicht nur eine Zinskritik, sondern fordert auch die Freiheit der Zahlungsmittel auf den Märkten.
Als Basis für eine sich im Dialog befindenden Geldkritik gilt nicht nur die gemeinsame Forderung nach Freiheit der Zahlungsmittel, sondern auch die gegenseitige Sympathie für alle, die sich im Angesicht des entfesselten Kapitalismus mit konkreten geldpolitischen Experimenten befassen. Hier ist wahre Spiritualität und Nähe zu den Quellen eine Notwendigkeit.