Die Wahlergebnisse im Osten der Republik und der erschreckende Erfolg der NPD bei jungen Ostdeutschen verweisen auf ein interessantes Paradox. Bei jungen Muslimen – gerade auch aus dem Feld des organisierten Islam – findet sich mehr Zuspruch und Engagement für die Demokratie als bei jungen Ostdeutschen. Die Mär von der akuten Gefährdung der Demokratie durch den „Islamismus“ in Deutschland könnte nicht besser ad absurdum geführt werden. Der Erfolg der ausländerfeindlichen Parteien ist auch ein Schlag für diejenigen, die die Rhetorik gegen den „Islamismus“ als eine Art politisch korrekter Ausländerfeindlichkeit nutzten. Davon profitiert auch die NPD oder DVU. Es war auffallend, dass es seit dem 11.9. in der Öffentlichkeit praktisch keine Ausländerfeindlichkeit mehr zu geben schien.
Die Irrlehre des Rassismus ist nach wie vor die geistige Schlüsselbedrohung eines geeinten Europas und des überfälligen Schulterschlusses mit der Türkei. Man sollte auch den Innenminister daran erinnern, dass die NPD zu nicht unwesentlichen Teilen aus V-Leuten besteht. Vielleicht ist es an der Zeit, diese Männer zurückzurufen. Hoffentlich gibt es auch in Deutschland keinen Versuch von staatlicher Seite, „islamistische“ Strukturen quasi mitzubefördern. Die Vorkommnisse um die absurde „Islamistenkonferenz“ in Berlin nähren solchen Argwohn in der muslimischen Gemeinschaft. Kein ernstzunehmender Muslim in Deutschland hätte sich an dieser dubiosen PR-Luft-Konferenz beteiligt.
Die Hauptgefährdungen der Demokratie wurzeln schon länger nicht nur in einem ideologisierten „Islamismus“, sondern natürlich auch im Unwesen des ungezügelten Kapitalismus. Das Problem ist grundsätzlicher Natur. Es ist fraglich, zu welchen Machenschaften Politik oder politische Bewegungen überhaupt noch in der Lage sind. Die kapitalistische Lebenshaltung gefährdet die Demokratie von innen und außen und auf ganz unpolitische Weise. Der Zersetzungsprozess ist schleichend und verstärkt sich dramatisch, wenn es wirtschaftlich nicht läuft. Hinzu kommen die Krise des Parlamentarismus, der Konzentrationsprozess der Medien und die wachsende Gleichgültigkeit gegenüber Wahlen. Wir leben heute im geschichtlichen Moment des ungeklärten Machtverhältnisses zwischen globaler ökonomischer Macht und den nationalen Demokratien. Terrorismus, als extremste politische Form, ist nicht der Gegner, sondern einer der Geburtshelfer der neuen weltstaatlichen Ordnung.
Europa wird nicht deswegen schon täglich demokratischer, weil es die islamische Welt oder die Muslime als undemokratisch bezichtigt. Es ist fraglich, ob der „Kampf gegen den Terrorismus“ die Demokratien dieser Welt stärkt, und es ist eine Illusion zu glauben, dass unsere Demokratie sich in den „Kampfhandlungen“ nicht schon bereits wesentlich verändert hat. Im Osten werden neue akute Gefahren deutlich: Wieviele Ostdeutsche werden anti-demokratische und rassistische Parteien wählen , wenn sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert? Wird dies auch im Westen passieren? Machen wir uns nichts vor, erstarkte Rechtsradikalität wird sich eines Tages auch gegen uns Muslime wenden. Wichtiger denn je ist es für uns, das Ghetto zu verlassen und in Europa heimisch zu werden. Der Islam in Europa ist ein Gegengift zur Ideologie des Rassismus.