Es gibt verschiedene Sichtweisen über den neuerlichen Preis-Thriller rund um das Gold. Nur so viel vorweg, an der Natur des Goldes als das – gegenüber dem Papiergeld – bessere Geld, da mit einem innewohnenden Wert versehen, hat sich nichts verändert. Kopfweh bekommt nur derjenige, der im Gold eine kurzfristige Anlage, nur ein Spekulationsobjekt sieht und nun den Preiszerfall beklagen muss.
Gleichzeitig zeigt sich mitten im Gold-Crash ein bedeutsames Paradox.
Ich war gerade in Abu Dhabi und habe mich mit einem Goldhändler unterhalten. Seine Botschaft war auch ohne große Worte eindeutig, denn, an der Ladentür seines Goldshops hing schlicht das Schild „Ausverkauft!“. Der private Markt hat sich von den Machenschaften großer Spekulanten nicht beeindrucken lassen, im Gegenteil, man nutzt die günstigen Preise, weil man weiß, dass langfristig der Goldpreis nur steigen kann! Dies geschieht nicht nur in der arabischen Welt, auch – zum Beispiel – im inflationsbedrohten Japan suchen tausende Bürger ihr Heil im Gold, sie buchen unter Anderem viele Gold-Optionsscheine an der Börse in New York. Das heißt, eigentlich müsste Gold immer teurer werden.
Was war der Hintergrund der Attacken auf den Goldpreis? Ging es amerikanischen Markteilnehmern in Wirklichkeit um den Dollar und die Diffamierung der heimlichen – jetzt „instabilen“ – Ersatzwährung Gold? Dafür spricht einiges, denn die amerikanische FED muss auf jeden Fall den globalen Glauben an den manipulierten Dollar verteidigen. Immerhin druckt die FED jeden Monat neue 85 Milliarden der bunten Scheine und – schon länger ist klar, dass die Gold- und Silberpreise von amerikanischen Banken immer wieder manipuliert werden. Auch das für die Goldpreise entscheidende, tägliche „London Fixing“ ist nichts Anderes als eine interne Absprache zwischen mächtigen Banken.
Am „Markt“ rund um das Gold ging es abenteuerlich zu. Das Ganze hat längst Züge eines Wirtschaftskrimis. Innerhalb weniger Tage wurden 1 Million kurzfristige Optionen auf Gold an der COMEX (Warenterminbörse) veräußert. An einem Freitag wurden in einer Stunde 150 Tonnen „Papier“-Gold verkauft. Am Schluss mussten wegen der folgenden Kettenreaktion plötzlich insgesamt 500 Tonnen Gold verkauft werden. Hier kommen wir zur Preisfrage: wer kann solche gigantischen Operationen ausführen und die riesigen Verluste tragen? Mögliche Antwort: natürlich nur eine Institution, die über unbegrenzte Dollar-Reserven verfügt, also, die FED selbst?
Im Islam, um auf unsere Sichtweise zurückzukommen, sind unsere Dinare und Dirhams eigentlich spezifische Gewichte von Gold und Silber, die – über Jahrhunderte – die bevorzugte Basis eines islamischen Währungsmodells bildeten. Natürlich gab es keine Börsen. Bei der Verwendung von Rohmetallen ging es nicht um Spekulation, sondern um die Zirkulation, also die Versorgung der islamischen Märkte mit Geld.
Es gab (bankähnliche) Institutionen, die Wahdias, die zur Lagerung von Vermögen benutzt wurden, aber selbst kein Geld aus dem Nichts schöpfen konnten und keine Zins-Kredite vergaben. Sie hatten eine dienende Funktion und nicht die Aufgabe, Monopole zu finanzieren. Es gab daneben „Waqalas“, Einrichtungen, die den Transfer von Geld über Vermittler organisieren konnten, allerdings immer auf der Grundlage, dass reale Transfers stattfanden. Es war also kein Handel mit Papier-„Schuldscheinen“ erlaubt.
Hier, in diesen traditionellen Einrichtungen, liegt inmitten der größten Finanzkrise der Menschheitsgeschichte, das spannende Potential für eine andere Ökonomie. Die Freiheit, über Geld, Eigentum und Vermögen zu verfügen und freie Märkte, ohne Monopole, sind Grundlage der islamischen Zivilgesellschaft. Die Debatte über die Freiheiten des Menschen im Islam gehört in wesentlichen Teilen hierher. Davon hört man aber nichts, wenn man die Traktate der modernen Ideologen, rund um die Staatsgläubigkeit, wie sie in der arabischen Welt heute üblich sind, liest. Moderne Technologien begünstigen eine gesteigerte Funktionalität der alten Einrichtungen, aber, ohne die grundsätzlichen und ihr zugrunde liegenden Rechtsüberzeugungen selbst gefährden zu dürfen.