Das Volk interessiert sich nicht für Ökonomie (Wir benutzen hier – für den Schriftsteller gewöhnlich unerträgliche – begriffliche Großformate: der Staat, die Politik, die Märkte, der Souverän, also auch: das Volk). Geld ist, über die persönlichen Zuflüsse hinaus, kaum der näheren Erkundigung wert. (Botho Strauß, FAZ-net)
Die Flucht ins Gold nimmt in diesen Tagen titanische Ausmaße an und ist im Grunde nichts anders als eine Volksabstimmung per Geldbeutel. Immer mehr Menschen misstrauen den Papiergeldwährungen und legen ihre Werte unter Anderem in Gold an. Allein im zweiten Halbjahr 2011 steigerte sich die globale Nachfrage, so berichtet es das in Dubai ansässige „World Gold Council“ unlängst, auf über 918 Tonnen. Insbesondere die Nachfrage aus Indien und China nimmt dabei stetig zu. Gefragt sind im Spiel der Global Player des Goldgeschäftes aber in erster Linie die großvolumigen Investmentbarren.
Die einfachen Goldkäufer sind vermutlich kein besonders pessimistisches Klientel, eher kühle Rechner oder Wohlhabende, die mit Teilen ihres Vermögens auf Nummer sicher gehen wollen. Der Hype um das Gold entzieht der „normalen Wirtschaft“ aber nicht nur erhebliche Summen, sie hat den Preis immer weiter nach oben getrieben. Die Goldwirtschaft wird so, gezwungenermaßen, nicht Teil einer ökonomischen Befreiungsbewegung, sondern Teil der – wie es der Philosoph Sloterdijk nennt – „Blasenwirtschaft“. Nur wenige Reiche können sich die enormen Spekulationsrisiken auf Dauer auch leisten.
Im Ergebnis wird Gold im Moment nur gehortet. Die Sicherheit, oder besser gesagt, die Freiheit über einen alternativen, im Notfall funktionierenden Wirtschaftskreislauf zu verfügen haben auch die vielen Goldbesitzer nicht. Die Besitzer warten mehr oder minder passiv nur auf andere Zeiten, auf bessere Zeiten. Diese „besseren“ Zeiten sind nach dieser Sicht dann gekommen, wenn, zumindest theoretisch, der Bürger wieder Vertrauen in die Währungen gewinnt. Dann wird das Gold wieder verkauft und es geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Ein echter Beitrag zu einer neuen kreativen oder gar alternativen Art des Wirtschaftens ist diese simple Philosophie natürlich nicht. Steckt im Gold nicht doch mehr kreatives Potential?
Sollte ein echter Crash eines Tages tatsächlich kommen, nützt auch der bloße Besitz von Gold relativ wenig, zumindest wenn es um die täglichen Bedürfnisse geht. Gold wäre aber nur dann eine echte Alternative zur völligen Abhängigkeit vom Papiergeld, wenn es entsprechende, andere Wirtschaftskreisläufe gäbe. Nötig wären reale und virtuelle Marktplätze, wo man das eigene Gold tatsächlich als Zahlungsmittel nutzen könnte. Hier aber hat die stumme Bewegung der Goldkäufer bisher keine politische Idee, vielleicht noch nicht einmal das nötige politische Verständnis.
Für ein Ende des de facto Zwangsgeldes in Europa gibt es durchaus eine Lobby. Gerade im Land der alten D-Mark regt sich intelligenter Widerstand. Der bekannte FDP Politiker und MdB Schäffler zum Beispiel, fordert schon lange eine freie Wahl der Zahlungsmittel. Nur so, argumentieren diese Lobbyisten, könnte eine Goldbewegung, mit ihrem alternativen „guten“ Geld, Druck auf die Politik ausüben, damit sie Rationalität in der Finanzwirtschaft zurückzukehrt. Das Ende der gesetzlich vorgeschriebenen Golddeckung, die unsere Währungen bis 1971 ausmachten, war ja nichts Anderes als das Tor in das große Casino globaler Geldpolitik.
Die Erpressung der Politik durch die Banken funktioniert natürlich nur so lange, bis es eine Alternative zum Bankensystem selbst gibt. Gold, intelligent in den Markt gebracht, könnte durchaus Teil einer solchen Alternative sein. Hierzu müsste Gold eine Funktion bekommen, dürfte nicht nur Spekulationsobjekt sein, sondern müsste als Zahlungsmittel für Transaktionen und Handel eingesetzt werden. Für über eine Milliarde Muslime gibt es natürlich noch eine weitere wichtige Funktion einer Goldwährung, man denke nur an die Zakatzahlung.
In Europa werden auch zunehmend die fundamentalen ethischen Probleme unserer Währungen diskutiert. In meinem kleinen Buch „Weg mit dem Zins“ stelle ich nur Denker aus der islamischen, sondern auch aus der jüdischen und christlichen Tradition vor. Das Zinsverbot wird längst wieder breit diskutiert. Bei diesem Thema denken Religionen übrigens sehr vernünftig und durchaus „aufgeklärt“. Autoren wie beispielsweise der christliche „Geldethiker“ Hülsmann sehen im Papiergeld und der permanenten Ausweitung der Geldmenge ein moralisches Problem und ein Instrument der „Zwangsinflation“.
Gold als Zahlungsmittel zu nutzen würde für alle diese unterschiedlichen Autoren und Lobbyisten durchaus Sinn machen. Nur, praktisch ist die echte Emanzipation vom „alten“ Geld schwierig. Die globale Politik zeigt ja fatalerweise auch in Zeiten größter Not kein Interesse an möglichen ökonomischen Alternativen. Zu eng sind die Verflechtungen zwischen Politik und Finanzwirtschaft. Fakt ist, Zahlungsmittel die anerkannt und sicher sind, aber auch im Alltag funktionieren, sind für jede echte ökonomische Alternative fundamental wichtig.
Im Internet gibt es schon länger Versuche Goldeinheiten in Zahlungssystemen zu nutzen. Dieses Prinzip, ermöglicht durch das Internet, würde das Bankwesen partiell unnötig machen. Die Goldeinheiten werden global versendet, mit nur geringen Gebühren und in nur wenigen Sekunden. Auch Mobiltelefone können längst als Überweisungsträger eingesetzt werden. Das Establishment sieht in diesen goldbasierten Dienstleister herbe Konkurrenz. In Amerika wurde eines der bekanntesten Netzwerke, E-Gold, wegen Vorwürfe des Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz geschlossen. Dennoch, das weltweite Netz wird nicht nur das alte Banking ersetzen, es kann auch effektiv freies Geld mit freien Märkten verknüpfen.
Die unabhängigen Online-Bezahlsysteme sind sicher ein Weg, sich von den Banken unabhängiger zu machen. Aber auch auf dem realen Marktplatz könnten Gold oder Silber eine größere Rolle spielen. Gegen den Einsatz physischen Goldes in Form von Münzen spricht im Moment in Europa noch die Gesetzeslage. Da diese privaten Münzen keine offiziellen Zahlungsmittel sind, wird für den Verkauf dieser Münzen Mehrwertsteuer fällig. Damit ist der Preis dieser Produkte nicht wettbewerbsfähig. Die Goldbewegung sollte das Ende dieser Benachteiligung, mitsamt der marktfeindlichen Bevorzugung von staatlichen Münzen wie den „Krügerrand“ oder „Philharmoniker“, fordern.
Würde die Mehrwertsteuer wegfallen, träte nicht nur endlich die Wahlfreiheit der Zahlungsmittel ein, es könnten auch viele regionale Währungen „Silber- und Goldmünzen“ effizienter in Umlauf bringen. Dies hätte gegenüber den regionalen Papiergeldwährungen einen Vorteil: die Münzen haben ein Wert an sich und leben nicht nur von der Koppelung an den Euro. In diesem Falle könnte die Passivität des Goldbesitzes fallen und ein aktiver Wettbewerb der Zahlungsmittel eintreten. Das ist bitter nötig, denn ohne diesen Wettbewerb werden Staaten und ihre Banken kaum damit aufhören, immer mehr schlechtes Geld in den Markt zu werfen. Mit schlechtem Geld aber kann keine Marktwirtschaft auf Dauer funktionieren.