„Allah hat den Handel erlaubt, aber das Zinsnehmen verboten“ (Sura al-Baqara, 275)
Beim Frühstück entdecke ich einen faszinierenden Beitrag in der Märkischen Allgemeine über einen wackeren Brandenburger Christen, Herrn Zimmermann. Herr Zimmermann hat nüchtern erkannt, dass unser heutiges Finanzsystem leicht irrationale Züge hat.
„Für Werner Zimmermann ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Nach seiner Ansicht wird es in Deutschland wirtschaftlich noch viel schlimmer kommen. Deshalb üben der Drogist und seine Frau, eine promovierte Biologin und Ernährungswissenschaftlerin, schon einmal, wie es sich bescheiden leben lässt: weniger Wohnraum, kleinere Autos, weniger Konsum. Und Werner Zimmermann kauft beim Bauern um die Ecke. Er setzt der Globalisierung etwas entgegen – sein Motto lautet: Zurück in die Region.“
Herr Zimmermann sorgt sich (zu Recht) über die Wirtschaftslage, und zwar ganz bewusst auch als Christ:
„Als Christen glauben sie aber nicht daran, dass ihnen der Herr im Himmel zu Lebzeiten das Paradies auf Erden öffnet. Da suchen sie lieber selbst nach einer Pforte, durch die sie dem drohenden Finanzkollaps entkommen können. Den Weg aus dem Dilemma sehen sie deutlich vor sich. ‚Die Lösung heißt Regiogeld, eins zu eins zum Euro‘, sagt Werner Zimmermann, ‚alle, die in einem Regionalgeld-Förderverein Mitglied sind, können untereinander damit bezahlen.‘ Das Prinzip müsse nur erst überall begriffen werden“, heißt es in der Zeitung.
Mit zwei Gleichgesinnten, dem Bündnis-90/Die Grünen-Mitbegründer Hans-Jürgen Fischbeck und mit Alexander Woitas, hatte Zimmermann vor drei Jahren als „Forum Gemeinwesen Ökonomie“ begonnen. Inzwischen sind sie 30, 40 Personen und haben zur INWO gefunden, der Initiative für natürliche Wirtschaftsordnung. Ein Kernsatz ihrer Theorie lautet: Geld darf nirgends liegen, es muss immer in Bewegung sein. Damit es das tut, muss es eine Gebühr geben, die es mit der Zeit abwertet. So ist jeder gezwungen, es auszugeben. Oder: Das Zinseszins-Prinzip ist ein Krebsgeschwür. Es lässt Geld ohne menschliche Arbeit auf widernatürliche Weise ins Unermessliche wachsen. Da aber in der Wirtschaft nichts vom Himmel fällt, auch keine Zinsen, können sie nur von der Arbeit anderer stammen.
Interessant ist, woran Herr Zimmermann so alles „glaubt“, und natürlich auch die Bezugspunkte zur ökonomischen Lehre des Islam:
„An solche Sätze glaubt Zimmermann und erklärt: ‚Das Zinseszins-Prinzip macht Reiche immer reicher, Arme immer ärmer, weil Tag für Tag in Deutschland 980 Millionen Euro von Arm zu Reich fließen. Dem muss man Alternativen entgegensetzen.'“
Natürlich sind solche Menschen auch Idealisten:
„Doch für diese ökonomischen Vorstellungen interessiert sich in der Region kaum jemand. Mit Büchern, Aufsätzen und einem Film saßen Werner und Sigrun Zimmermann jüngst allein in der Ludwigsfelder Kulturhausgaststätte. Eingeladen hatten beide zum 1. Ludwigsfelder Wirtschaftsforum für Laien. ‚Das ist am Anfang immer so‘, sagt Zimmermann. Tauschringprojekte wie in Belzig oder die Kieselbörse in Zossen sieht er als Vorstufe zum Regiogeld. Kommen wird es früher oder später, davon ist er überzeugt: ‚Nach Zusammenbrüchen von Staaten gab es immer zuerst regionales Geld‘, sagt er. Dass ein Zusammenbruch bevorsteht, ist für ihn erwiesen. Ein Staat verschulde sich nach 50 bis 70 Jahren so, dass er ohne radikalen Schnitt – Crash oder Krieg – untergeht. Für Zimmermann Grund genug, mit dem Regiogeld lieber heute als morgen loszulegen.“
Aber Herr Zimmermann ist kein Theoretiker…
„Das Regiogeld, das die berlin-brandenburgische INWO-Gruppe anstrebt, soll aus Einer-, Fünfer-, Zehner- und 20er-Scheinen bestehen. Die wollen die Initiatoren als geldähnliche Wertscheine bei der Bundesdruckerei in Auftrag geben. Die Mitglieder des regionalen Fördervereins bezahlen dann untereinander mit dem Regio.“
..und hat durchaus das Problem erkannt:
„Frank Gerhard, Kämmerer und Beigeordneter in Ludwigsfelde, stimmt der Analyse der Regiogeld-Verfechter zu. In der Kleinstadt sind mehr als 1400 Firmen registriert, aber die Stadtväter kämpfen gegen ein Zehn-Millionen-Euro-Defizit. ‚Der Staat ist auf allen Ebenen verschuldet. Damit schieben wir einen riesigen Berg an Problemen vor uns her‘, so Gerhard. Ob Gesundheitskosten oder Rentenversorgung, das alles sei ‚mit Umlagen nicht mehr finanzierbar‘, die Schere zwischen Arm und Reich öffne sich immer weiter. Deshalb plädiert er zwar dafür, alle Ideen zu prüfen, das Regiogeld könne jedoch nur funktionieren, wenn es rechtliche Rahmenbedingungen zuließen. Gerhard glaubt, dass Kapital beim jetzigen Stand der Globalisierung ’sofort aus einer Region flieht, wenn es sich nicht vermehren kann‘.“
Gegenwind:
„Auch Herbert Vogeler kann der Regiogeld-Vision nichts abgewinnen. Der Geschäftsführer der Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Teltow-Fläming assoziiert damit auch alte DDR-Vorstellungen. ‚Wir haben gerade einen gescheiterten Versuch hinter uns. So schnell sollte man Fehler nicht wiederholen.‘ Damit eine Währung konvertierbar ist, brauche sie Reserven, so Vogeler, ‚wie sollen die bei diesem Geld aussehen?'“
Herr Zimmermann bleibt aber „brandenburgisch“ stur:
„Werner Zimmermann lässt diese Argumente nicht gelten. Er glaubt, dass Regiogeld den Euro ergänzen kann, glaubt, dass 30 Prozent vom Geldvolumen einer Region ausreichen, um Kommunen und Betriebe untereinander ohne Zinsdruck handeln und bezahlen zu lassen. Es dauere zwar Jahre, bis sich solche Erkenntnisse durchsetzten, aber einen anderen Weg gebe es nicht. Trotz aller ausgefallenen Denkansätze legt Zimmermann auf eines wert: ‚Wir sind keine Umstürzler oder Kommunisten, wir sind evangelisch-lutherische Christen und wir sehen nur, wie viele andere auch, dass es so wie jetzt nicht weitergehen kann.'“
Literatur:
Margrit Kennedy/Bernhard Lietaer, „Regionalwährungen – neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand“, Riemann-Verlag
Zeitschrift „Humanwirtschaft“, erscheint sechs Mal jährlich im gleichnamigen Verlag, Nürnberg
Werner Zimmermann, „Der Zins“, erschienen in der Reihe „Schriften vom Nehemia-Hof“