„Die Märkte fürchten den massiven Abzug japanischer Investitionen. Die US-Notenbank wird wohl eine neue Runde des Gelddruckens einläuten“ (Meldung auf WELT-Online)
Es sind drei fundamentale Ereignisse, die das künftige Denken unseres noch jungen Jahrhunderts bestimmen werden: Der 11. September, die Finanzkrise und das Atomunglück von Fukushima. Dies sind die Ereignisse, die dem Menschen, nicht nur seine globale Vernetzung, sondern auch seine eigene Verletzlichkeit schmerzhaft deutlich machen. Die Frage, welchen Schluss man aus diesen Phänomenen zieht, eröffnet die eigentliche Debatte zwischen Glauben oder Nicht-Glauben.
Mit Anspannung verfolgen wir die Bilder ungeheurer Zerstörungskraft, die das Erdbeben vor der japanischen Küste auslöste. Die in uns allen wohnende menschliche Solidarität lässt uns an dem ungeheuren Leid teilnehmen, dass auf Millionen Mitmenschen einwirkt. Der Energiehunger der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt führte dazu, alte Weisheit aufzugeben, sich der Technologie bedingungslos zu unterwerfen und in der Nähe der gefährlichsten Erdbebenregion der Welt Dutzende Atomkraftwerke zu bauen.
In unserer Lokalzeitung verfolge ich die „typische“ Einordnung der leidvollen japanischen Erdbebenkatastrophe: Auf Seite 1 die dramatischen und spektakulären Bilder des Erdbebens, auf Seite 2 die nüchterne wissenschaftliche Ausarbeitung der „Ursachen“ und „Folgen“ sowie auf der dritten Seite die Rechnung, also die prognostizierten Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem.
Nach dem Philosophenwort, dass die Wissenschaft nicht denken kann, ist besonders Seite 2 unbefriedigend. Gibt es so etwas wie eine Philosophie, das Gesamtgeschehen zu deuten – gar ein innerer Zusammenhang oder eine tiefere Bedeutung?
Man mag daran denken, dass alle drei genannten Phänomen für eine bestimmte Maßlosigkeit und gewisse Grenzüberschreitungen stehen. In jeder ideologischen Potenzierung wächst auch die Zerstörungskraft an. Der mordende Muslim, der gierige Manager, der skrupellose Wissenschaftler (und der politische Schauspieler, der vorgibt, alles „unter Kontrolle“ zu haben), sind heute spektakulär auf die Weltbühne getreten. Das Recht vermag sie nicht mehr zu mäßigen. Man sollte aber nicht denken, dass sie das Geschehen selbst in der Hand haben.
Zweifellos ist die Frage nach der „Technik“ als einer fundamentalen Frage bereits im vergangenen Jahrhundert angeklungen. Martin Heidegger hatte in seinem Spätwerk – unter dem Eindruck des epochalen Desasters, zu der die nationalsozialistische Ideologie und ihr Willen zur Macht geführt hatte – schlussendlich die Frage nach dem Wesen der Technik gestellt. Das Wesen der modernen Technik, ist nach Heidegger, nicht etwa selbst etwas technisches, sondern seinem Wesen nach nichts anderes als ein „Herausfordern der Schöpfung“.
Heidegger riet letztendlich nicht etwa zu einer bestimmten politischen Parteiung, sondern empfahl vielmehr in provozierender Einfachheit eine „gelassene Haltung“ gegenüber der Technik. In der Idee eine „böse“ Apparatur (beispielsweise Atom) einfach mit einer „guten“ Apparatur (wie der Windkraft) abzulösen, wie sie heute die GRÜNEN beglückt, sah er im Grunde nur ein oberflächliches Missverständnis.
Die Folgenlosigkeit lokal-grüner Machtergreifung und die Machtlosigkeit jeder aktuellen Politik gegenüber dem Wirbelsturm der globalen Finanztechnik mag ihm heute Recht geben. Auch in der islamischen Welt wird die Bedeutung der Technik nur als eine faszinierende Option der Machtsteigerung verstanden. Die Idee, sich eine Atombombe oder eine Bank als eine „islamische“ untertan zu machen, zeigt das ganze verheerende Ausmaß des Unverständnisses.
Für das Einheitsdenken des Islam ist die Erde kein Jammertal und die Natur und alle ihre Einfälle vom Schöpfer nicht zu trennen. „Himmel und Hölle“, so lehrte Ibn al-'Arabi, „sind der selbe Ort, sie werden nur unterschiedlich erfahren“. Die Botschaft ist einfach. Der Qur'an warnt vor dem Herausfordern der Schöpfung mittels einer maßlosen Finanztechnik. Nur die endlose Geldvermehrung ermöglicht das ausufernde technologische Projekt. Der Muslim ist nicht nur passiver oder gelähmter Beobachter, sondern jemand, der offenbartes Maß hält und dieses Maßhalten in die Gesellschaft einbringt. Diese Haltung könnte eines Tages durchaus modern sein.
Ansonsten bleibt es für die „Condition humaine“ bei der alten Binsenweisheit, dass das Leben lebensgefährlich bleibt.