Der Italienerin Loretta Napoleoni ist mit „die Zuhälter der Globalisierung“ ein leidenschaftliches und überzeugendes Buch gelungen. Napoleoni beschreibt den Übergang von Nationalstaat zum Marktstaat und darauf folgend die Auseinandersetzung zwischen Politik und „Schurkenwirtschaft“ um die Vorherrschaft. Um den Tod der Politik zu verhindern, sieht sie den ersten Schritt darin, die „durch die Schurkenwirtschaft erzeugte ökonomischen Illusionen zu durchbrechen.“ „Nur dann“ so Napoleoni weiter „werden die Menschen in der Lage sein ihre Wahl zu treffen und die Bedingungen ihres politischen Engagements neu festzulegen“.
Auch in Deutschland verschärfen sich die Debatten. Ein Jahr vor der Bundestagswahl setzen sich beispielsweise neoliberale Think-Tanks verstärkt für die Marktwirtschaft ein.
„Vor 60 Jahren hat die Wirtschafts- und Währungsreform die Grundlagen für die Soziale Marktwirtschaft geschaffen, die zum international bekannten deutschen Markenzeichen wurde. Ihre Überlegenheit erwies sich, als das DDR-Regime im Wettbewerb der Systeme unterlag. Heute gibt es Anlass, sich über den Fortbestand dieser Ordnung Sorgen zu machen. Ihre tragenden Prinzipien, Wettbewerb und Eigenverantwortung, finden immer weniger Zuspruch“ heißt es im so genanten Jenaer Aufruf.
Die Initiatoren der Erklärung zur Rettung des Marktes sind Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung, des Walter-Eucken-Instituts, der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft und des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts/Wilhelm-Röpke-Instituts.
Die Erklärung hat auch überraschend deutliche religiöse Aspekte. Die Marktwirtschaft wird etwas vereinfacht in der Tradition des Christentums verortet. Dabei wird allerdings geflissentlich übersehen, dass in der Tradition des griechischen Denkens (Aristoteles) und des Christentums die Zinsnahme verboten war.
Die moralische Abgründigkeit unserer Marktideologie, angesichts von Millionen von Hungertoten, lässt sich auch schlecht in das christliche Weltverständnis einordnen. Darüberhinaus erleben wir gerade in wichtigen Lebensbereichen die Ersetzung des Marktes durch monopolisierte Distribution.
telepolis kommentiert den religiösen Aspekt des Aufrufes („Marktwirtschaft von der Wiege bis zur Bahre“) wie folgt:
„So vertreten die Verfasser die These: „Das Menschenbild der Sozialen Marktwirtschaft beruht auf der abendländisch-christlichen Tradition.“ Nehmen die Verfasser diese Behauptung Ernst, wäre ein Großteil der Erde schon von vornherein von der sozialen Marktwirtschaft ausgeschlossen. Oder sind sie damit nur Erben des Soziologen Max Weber, der in der Reformation einen wichtigen Schritt hin zum Kapitalismus sah?“
Die Frage nach der Gerechtigkeit – als Schlüsselthema authentischer Religion – verursachen natürlich diese Zahlen und Fakten:
Die Zahl der Dollar-Millionäre ist weltweit drastisch gestiegen. Im vergangenen Jahr waren es mit 10,1 Millionen sechs Prozent mehr als im Vorjahr, wie aus einer am Dienstag in Frankfurt veröffentlichten Studie der Consulting-Firma Capgemini und der Investmentbank Merrill Lynch hervorgeht. Der Kreis der besonders Wohlhabenden mit mehr als 30 Millionen Dollar Vermögen erweiterte sich noch schneller: um mehr als 8,8 Prozent auf 103 320 Menschen. In Deutschland wurden nach dieser Aufstellung 826 000 Millionäre gezählt, 3,5 Prozent mehr als 2006. Das durchschnittliche Vermögen der Reichen übersprang 2007 erstmals die Marke von vier Millionen US-Dollar. Zusammen verfügten sie über 40,7 Billionen Dollar (26,2 Billionen Euro) – ein Plus von 9,4 Prozent gegenüber 2006.