Karadzic ist festgenommen und wird wie sein Ziehvater Milosevic in Den Haag enden – aber eine Heldentat ist dies nach über einem Jahrzehnt der „Suche” nicht. Noch immer ist es ein bleibender Skandal, dass Serbien des flüchtigen Serbengenerals Mladic angeblich nach wie vor nicht habhaft werden kann. Die gleichzeitig erklingenden Rufe nach einer schnellen Integration Serbiens in die EU klingen aus der Opferperspektive eher zynisch.
Die ehemalige Richterin Nuska Sijac aus Prijedor fasste in der ZDF-Sendung „Mona Lisa“ zusammen, was die Opfer der serbischen Ideologie vergangener Tage denken: „Ich bin davon überzeugt, dass Karadzics Festnahme das Eintrittsticket Serbiens in die EU ist. Das Tragische an der ganzen Sache ist nur, dass seine Verhaftung nicht wegen seiner Verbrechen erfolgte, sondern als politischer Schachzug.“
Die Schweizer „NZZ am Sonntag” bündelt die Position der Skeptiker bezüglich einer schnellen Aufnahme Serbiens in der EU wie folgt: „Auch wenn Europa dieser Regierung mit ihrer hauchdünnen Mehrheit gewogen ist, scheint sich Belgrad doch stellvertretend für die Nation eines lästigen Problems entledigt zu haben, an das man nicht länger erinnert werden möchte. Hat Serbien sich wirklich verändert, nur weil es einen der Seinen nach viel zu langer Zeit gefangen genommen hat? (…) Ein Land wird noch nicht demokratisch oder weltoffen, nur weil es einen Verbrecher fasst.”
Bevor Serbien sich ernsthaft in Richtung Brüssel bewegen kann, muss das Land erklären, warum es in Belgrad noch immer eine amtierende Parlamentspräsidentin gibt, die die Festnahme eines der schlimmsten Kriegsverbrecher Europas „bedauert”. Auch die Rolle der staatstragenden Orthodoxen Kirche in der Zeit des Terrors der Balkankriege, weit jenseits der Trennung von Politik und Religion, kann bei der Aufarbeitung der historischen Schuld Serbiens nicht dauerhaft nur eine Marginalie bleiben.
Schlussendlich kann der Prozess der gerechten Beurteilung des Geschehens auf dem Balkan auch nicht die abgründige Rolle der UN weiter verdrängen. Der juristische Berater der „Opfer von Srebrenica”, Boyle, hat die diesbezügliche Passivität der Haager Staatsanwälte immer wieder kritisiert.
Die Untersuchung der Verantwortung einiger UN-Generäle in den tragischen Tagen von Srebrenica kann nicht – wie unlängst in einem Verfahren in den Niederlanden – mit dem trockenen Verweis auf eine allgemeine Immunität der UN abgewürgt werden. Es klingt bitter, wenn die niederländischen Anwälte der Opfer insoweit beklagen, dass diese Sicht de facto bedeute, dass alle Welt den Grundsätzen der Menschenrechte unterworfen sind, außer der UN.