Es war eine harte Abrechnung erwartet worden, führende Genossen warfen Kurt Beck vor, sein Liebäugeln mit der Linken in Hessen habe der Partei bei der Hamburg-Wahl geschadet. Nun aber steht er gestärkt da: Die Parteispitze hat seinen Kurs gebilligt. (DER SPIEGEL, am Montag nach der Wahl)
Medien, so ist zumindest die allgemeine Auffassung, können keine Skandale erfinden, sie können aber banale Fakten zu Skandalen aufbauen. Das gilt vor allem dann, wenn wichtige Medien zusammenarbeiten. In seltenem Einklang arbeiten in diesen Tagen die „Welt“, der „Spiegel“ und die „Bild“ an einer Kampagne gegen den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck. Einmütig berichteten die Leitmedien vom Zerfall der SPD, Unmut an der Basis und der gewagten These, dass Beck die Hamburger Wahlen riskiert habe. Was bleibt, ist Staunen. So etwas wäre vor Jahren gerade zwischen diesen Leitmedien der Republik nicht denkbar gewesen. Nun aber gibt es scheinbar eine verbindende Koalition der Angst: Angst vor Kommunisten, Angst vor Islamisten und Angst vor dem Aufstand gegen das Kapital.
Warum geht es? In der Hessenwahl hatte der CDU-Ministerpräsident mit einer populistischen Kampagne gegen Ausländer versucht, Stimmen zu machen. Der Wähler präsentierte die Rechnung und schaffte eine klare Mehrheit gegen Koch. Der SPD-Vorsitzende hatte nun Tage vor der Hamburgwahl eine Wahl der hessischen Wahlsiegerin Ypsilanti – ohne ausdrückliche Zusammenarbeit mit der PDS und mit der Mehrheit des Landtages – für möglich gehalten. Eine Binsenweisheit in der Demokratie, zumal auch dort beispielsweise, in Berlin sogar eine rot-rote Koalition Alltag ist, ohne dass rote Flaggen wehen oder das marode Bankensystem verstaatlicht worden wäre.
Die Kampagne gegen Beck ist genereller Natur. Mit Schrecken realisieren neoliberale Kreise in Deutschland den Vertrauensverlust in die freie Marktwirtschaft und fürchten nun die politischen Folgen. Beck erhält eine Art „strategischen“ Warnschuss. Sollte der SPD-Chef die linke Republik anstreben, dann, so die Botschaft, werde er mit den genannten mächtigen Leitmedien weiteren Ärger bekommen. So zitiert der Spiegel in seiner Online-Ausgabe bereits brav den Bericht der „Bild“-Zeitung, demzufolge Beck intern angeblich einen „schwerwiegenden Fehler“ eingeräumt haben soll. In einer Telefon-Schaltkonferenz am Sonntag habe Beck erklärt, er übernehme die „volle Verantwortung“. Komisch nur, dass heute am Montag und nach der Einsicht, dass die SPD in Hamburg Stimmen gewonnen hat, der SPD-Vorstand Beck praktisch volle Unterstützung zugesichert hat.
An dieser Stelle könnten dem sturmerprobten Pfälzer Beck Steherqualitäten zuwachsen. Zwar wird er ähnlich wie der andere berühmte Pfälzer, Helmut Kohl, als zu bodenständig und als Rhetorikfeind angeschwärzt, aber er wird auch wie Kohl chronisch unterschätzt. Beck hat erkannt, dass die Sache der Gerechtigkeit der Partei ein echtes soziales Profil gibt und er hat die entscheidende Schwäche der Konservativen erkannt: ihre Beliebigkeit.
Die konservative Strömung mag sich gegen Kriminelle, Türken oder Kommunisten abgrenzen, was das positiv tragende Konservative an ihrer Partei ist, kann sie kaum noch definieren. Angela Merkel, die Gegenspielerin Becks, mag eine brilliante Technikerin der Macht sein, aber für das konservative Profil der Partei hat sie intellektuell wenig beizutragen.