„Das ist kein Dialog mehr, sondern ein Diktat“ (Navid Kermani auf FR-Online über die Islamkonferenz)
„Im Augenblick erleben wir doch eine Schwarz-Weiß-Malerei: Auf der einen Seite die Lichtgestalten der Aufklärung, auf der anderen die dunklen Kräfte der Religion. Das ist in der Islamkonferenz der Fall. Und natürlich in den Medien. Dort gibt es richtige Hetzer, die zum Teil noch nie eine Moschee von innen gesehen haben. Hier geht es um den sozialen Frieden, auch wenn das ein spießiges Wort ist.“ (Feridun Zaimoglu auf taz.de)
Verfolgt man die aktuellen Debatten um den Islam in der Öffentlichkeit schwankt man irgendwo zwischen „weinen oder lachen“….
Eher zum Lachen ist die aufgeregte „Debatte“ um die Islamkonferenz. Heute rät die Beraterin des Innenministeriums, Frau Kelek, wie immer gut positioniert in der ehrwürdigen FAZ, die Konferenz einfach ohne die Verbände und die Moscheen fortzusetzen. Da hat sie Recht! Lustiger Vorschlag! Was machen diese Ausländer auch für Faxen! Eine Konferenz ohne eine Vertretung der Interessen hunderter Moscheegemeinden und hunderttausender Muslime wäre wirklich einfacher zu organisieren und, wenn man, „ganz Untertan“, das absolute Recht der Regierung anerkennt, dass alle Themen, TeilnehmerInnen und Mehrheitsverhältnisse allein vom Innenministerium festgelegt werden sollten – ist Ihr Basta!-Vorschlag ja auch folgerichtig.
Wie immer es mit der Konferenz weiter geht, als „Medienmann“ fällt mir, nebenbei erwähnt, auch auf, dass die meisten Kommentierungen zum Thema „Islamkonferenz“ nicht nur absolut unkritisch die Regierungsseite stützen, sondern auch selten auf Recherche und immer öfters nur auf Kopien von „dpa Meldungen“ beruhen. Das inhaltliche Interesse beschränkt sich zumeist auf die Inszenierung des Spektakels, kritischer Journalismus und eigene, inhaltlich orientierte Recherche ist bei diesem Thema leider längst die Ausnahme geworden. „Mehrheit regiert!“ – eben auch durch Medien.
Will man die Positionen besser verstehen und beurteilen, um die es auf der Islamkonferenz wirklich, theoretisch zumindest, gehen sollte, kommt man an einer der seltenen inhaltlichen Analysen, in diesem Fall von Mustafa Yeneroglu auf igmg.de, nicht vorbei. Die IGMG beklagt sich ja inzwischen sogar, aus Ihrer Sicht ausgelöst durch ihre Positionen zum Islam in Deutschland, über „politische Verfolgung“. Das mag übertrieben sein. Der Verband ist jetzt aber leider so in die Enge getrieben, dass er fatalerweise Schutz in der Türkei sucht und die dortige Definition als „Auslandstürken“ akzeptiert, statt sich hier in Deutschland im Interesse der eigenen Kinder als offene deutsche Organisation für deutsche Muslime – wenn auch mit türkischen Vorfahren – zu betrachten. Allein diese Entwicklung bei den türkischen Verbänden ist ein Desaster für die Initiatoren der Islamkonferenz.
Darf man sich wundern, dass in einer Zeit, die das Flächenbombardement zur Bekämpfung des Feindes toleriert, auch innenpolitisch schärfer gegen angebliche „Feinde“ geschossen wird?
Mit Sorge betrachte ich beispielsweise Verlautbarungen des Brandenburgischen Verfassungsschutzes. In der neuesten Publikation wird nicht nur jede Verhältnismäßigkeit aufgegeben, sondern ganz im Sinne Carl Schmittscher Freund-Feind Logik gedacht. Der unbestimmte Begriff des „Islamismus“ und „Extremismus“ wird atemberaubend weit auslegt. Mit abenteuerlichen Assoziierungsketten (nur solche stehen „belastend“ zur Verfügung), einer Art amtlichen „Schmähkritik“ und gegen die öffentlich dokumentierte Wirklichkeit von 15 Jahren IZ-Arbeit und dort eindeutig belegter Positionen, wird man dort flugs dem Dunstkreis von „Antisemiten, Rechtsesoteriker, Rassisten“ zugeordnet. Über so viel Unfug könnte man vielleicht noch lachen, würde man nicht bei den Autoren ein unheimliches Lagerdenken rund um um die bedenklich anwachsende Schnittmenge der „Islamisten“ erkennen. Diese dunkle Gruppe besteht, zumindest aus der gnadenlosen Sicht der Behörde, aus Massenmördern, Verbrechern, orthodox Gläubigen und schlicht Andersdenkenden gleichermaßen, eine Pseudo-Einheitsfront des Bösen, deren Mitgliedern eine Art ideologisches „Verwandtschaftsverhältnis“ unterstellt wird.
Das eigentliche Verfassungsproblem der letzen beiden Jahre bleibt natürlich bei allen Ämtern, die sogar den „Coup de Banque“ der eigenen Landesbanken verschlafen haben, unreflektiert: die Aushöhlung der Demokratie – nicht etwa durch Machenschaften verstaubter Ideologien, sondern durch die strukturelle Dynamik der Finanztechnik selbst. Während die verbliebenen Hundertschaften der Ideologie-Dinosaurier den starken (Überwachungs-)Staat provozieren und seine wachsende Totalität rechtfertigen, bleibt der Staat gegenüber dem Treiben der global aufgestellten Finanzmacht hilflos. Diese eigentliche These der Islamischen Zeitung, früher Anlass für Spott und Häme, wird inzwischen schlicht durch die Wirklichkeit bestätigt. (Da passt in das Bild, dass die einzige Institution in Deutschland, die den Begriff „Scharia“ gefahrlos benutzen kann, inzwischen die Deutsche Bank ist. Sie beschäftigt inzwischen sogar „Schariaexperten“ im Finanzbereich!)
Es steht für mich außer Frage, dass jeder Muslim deutsche Behörden unterstützen muss, die ernsthaft gegen potentielle Terroristen in unserer Heimat vorgehen. Natürlich macht diese Bereitschaft nicht blind gegenüber Widersprüchen. Für alle, die sich aufrichtig um die Sicherheit im Lande kümmern, zum Schluß noch ein Hinweis auf einen brillianten Artikel der Internetseite Teleopolis („In Ulm und um Um herum“). In dem Artikel von Paul Schreyer, „Ferngelenkte Terroristen“, geht es um die langjährige, merkwürdige Blindheit der Sicherheitsbehörden gegenüber dem geheimnisvollen Ursprung aller deutschen Extremistenkreise: Ulm. Über die gesamten 90er Jahre wurden dort, unter (skandalös) ungeklärten Umständen, die wirklichen Hardliner des deutschen Extremismus versammelt. Diese Szene ist, wie wir heute wissen, zumindest in Teilen außer Kontrolle geraten. Natürlich sind hier wirklich wichtige Zusammenhänge um die deutsche Sicherheit betroffen, die im oben erwähnten Verfassungsschutzbericht geflissentlich verschwiegen werden.
Nachtrag (Dr. H. Bielefeld auf NN-Online):
Sie wirkten an einer Fachtagung in Erlangen zum Problem des Islam mit. Ist hier Rassismus erkennbar und wenn ja, in welcher Form?
Bielefeldt: Rassismus ist ein schwerer Vorwurf, mit dem man nicht leichtfertig umgehen darf. Nicht alle kritischen Rückfragen, die man an Muslime richtet, sind Ausdruck von Rassismus, das wäre ja sonst völlig absurd. Viele Menschen haben solche Fragen, die sollen sie stellen, und manche sind gegenüber dem Islam recht skeptisch eingestellt. Das macht natürlich noch keinen Rassismus aus. Dieser entsteht dort, wo man nicht mehr hinhören will. Rassisten stellen keine Fragen, sondern wissen im Voraus schon alle Antworten. Kennzeichnend für den Rassismus ist außerdem, dass man Menschen nicht mehr als Individuen betrachtet, sondern ihnen eine kollektive Mentalität zuschreibt, etwa eine Verlogenheit: Es gibt ja den Vorwurf, Muslime hätten eine andere Einstellung zur Wahrheit. Wenn Menschen auf solche Weise prinzipiell ausgegrenzt werden, muss uns das alarmieren.