Die BILD-Zeitung – in üblicher Machart, wenn es um die kommerzielle Nutzung der Volks-Emotionen geht – sprach vom „Teufel und Monster“, anstatt von dem dem, was Beate Zschäpe im Moment wirklich ist: Eine Angeklagte, der schwerste Straftatbestände vorgeworfen werden. Ich – wie viele andere Beobachter auch – finden diese kleine Frau mit dem Buisenesslook unsymapthisch, aber das spielt zum Glück im Prozess keine Rolle. Das Gericht muss herausfinden, ob Zschäpe „nur“ eine abstoßende Gesinnung hat oder aber einen derartigen Tatbeitrag in der NSU-Mordserie geleistet hat, der sie zur Mittäterschaft und damit zur Mörderin qualifiziert.
Es gilt bei den schweren Straftaten, die ihr vorgeworfen werden, zunächst die Unschuldsvermutung und es ist auch noch nicht klar, ob der Staatsanwaltschaft tatsächlich der lückenlose Beweis bezüglich nur einiger oder aller genannter Straftaten gelingt. Darüber hinaus werden die Verteidiger der Angeklagten das Gericht hoffentlich – zumindest indirekt – zwingen, auch aufzuklären, ob – beziehungsweise warum nicht – alle Tatverdächtigen angeklagt worden sind. Die mysteriöse Anwesenheit eines V-Mannes des hessischen Verfassungsschutzes bei einem der Mordfälle ist hier nur ein Stichwort.
In der Frage, ob es in einem modernen Staat unbekannte „Zellen“ geben kann, die Straftaten fördern oder sogar initiieren, liegt die eigentliche Brisanz des Verfahrens. Es passt insoweit, dass in Luxemburg gerade Verdachtsmomente rund um die NATO-Untergrundarmee Gladio auftauchen, die auch einen Bezug zur Geschichte des Terrors in Deutschland und insbesondere auf das schreckliche Attentat beim Oktoberfest in München als möglich erscheinen lassen. Dass ein demokratischer Staat, der sich gerne als verletzlich und zart präsentiert, auch eine Art Ungeheuer sein kann oder Staatsbedienstete Ungeheuerlichkeiten begehen können, ist ein schwerer Gedanke. Die an sich staatsgläubigen Deutschen sind diesbezüglich erschrocken, statt den geläufigen „Verschwörungstheorien“ auch – zumindest in Europa – „real bewiesene Tatbestände“ zur Kenntnis zu nehmen.
Wer aber, wie gesagt, angesichts dieser Fakten lieber nicht von einer Angeklagten, sondern von einem „Monster und dem Teufel“ spricht, will kein inhaltliches Verfahren, sondern im Grunde ein spektakuläres Volkstribunal. Es ist beeindruckend, dass die betroffenen, leidgeprüften Opferfamilien nicht in diesen Ton von Rache und Vergeltung eingestiegen sind. Die Belehrungen türkischer Politiker über die Rechtsstaatlichkeit von Strafverfahren wirkt angesichts der Rolle der Justiz in der Türkei in den letzten Jahrzehnten dabei etwas zu sehr überheblich.
Bei einem Tribunal, man denke an China, würde es dann auch passen, dass eine Angeklagte „Strafkleidung“ trägt, keine Fönfrisur haben darf oder ohne Not in Ketten gelegt wird. Natürlich müsste es dann nach der entsprechenden Gesinnungsprüfung auch einen kurzen Prozess geben und die Ketten der Strafprozessordnung würden ebenso keine Anwendung mehr finden. Das OLG München folgt diesen Verführungen nicht.
Ein eher peinlicher Nebenschauplatz bildet übrigens die Präsenz von Verbandsvertretern am Prozesstag. Für wen sind sie da? Wurden Sie etwa von den Opferfamilien dazu aufgefordert? Klug und fern vom Vorwurf der „Trittbrettfahrerei“ wäre wohl eine vom Koordinationsrat der Muslime (KRM) initiierte Absprache über die Präsenz islamischer Medien vor Ort gewesen – eine Klugheit, die die Überwindung des bekannten Autismus der Verbände vorausgesetzt hätte. Selbst am Gerichtssaal ging es den Verbandsvertretern wie immer nur um die eigene Anwesenheit und die Steigerung eigener Medienpräsenz.