In der Frankfurter Allgemeinen findet man heute einen Artikel über die König-Fahd-Akademie in Bonn. Dort liest man: „Seit im Herbst 2003 bekannt wurde, dass in der Moschee der Fahd-Akademie „während des Freitagsgebetes zum „Heiligen Krieg“ gegen Nichtmuslime aufgerufen wurde und sich in deren Umfeld muslimische Extremisten aufhalten, sind die Behörden alarmiert“. Zunächst wollte der Kölner Regierungspräsident Jürgen Roters die Schule schließen. Doch das Auswärtige Amt intervenierte. Die diplomatischen Beziehungen zu Saudi-Arabien würden leiden. Das Ölland ist heute noch immer ein innenpolitischer Ausnahmefall: jede andere Schule wäre sofort geschlossen worden.
Tatsächlich gibt es heute weder in der deutschen Innen- oder Außenpolitik noch bei Muslimen eine konstruktive Auseinandersetzung bezüglich des Wahabismus. Dabei geht es auf allen Seiten immer auch um Geld. Über Jahre findet sich in den deutschen Verfasssungsschutzberichten das Wort „Saudi-Arabien“ nicht. Ein Zufall? Hier sind natürlich deutsche Wirtschaftsinteressen und deutsche Lobbyisten massiv betroffen. Auch sind mir bis heute keine kritischen Wortmeldungen eines deutschen Politikers (oder engagierten Innenpolitikers) über das Land bekannt. Natürlich war es da bequemer (und billiger), Schärfe gegenüber türkischen Gruppen zu zeigen. Die Sicherheitsbehörden glaubten, der Islam sei nur dann gefährlich, wenn Organisationen eine bestimmte Zahlengröße überschritten. Über die eher kleinen wahabitischen Lehrbetriebe hat man politisch korrekt hinweggesehen.
Was ist der Wahabismus? Wie so oft gibt es hier natürlich unterschiedlichste Strömungen. Der historische Abdul Wahab hatte das legitime Anliegen, unberechtigte und esoterische Strömungen im Islam auszugrenzen. Schizophren wird der Wahabismus, wenn das teilweise dekadente Königshaus sich mit der nationalen und internationalen Erdölindustrie zusammentut, um den Wahabismus weltweit zu exportieren. Eine merkwürdige Allianz, und eine, wie wir heute wissen, mit leider weltgeschichtlicher Dimension. Der „moderne und totalitäre“ Wahabismus predigt eine strikte Sexualmoral und gibt sich orthodox, die religiöse Strenge gilt jedoch nicht im ökonomischen Bereich – dort ist man völlig unorthodox, frei und wahrlich extrem flexibel. Gerade das wahabitische Verhältnis zu Frauen hat in der Sunnah des Propheten allerdings kein Vorbild.
Wenn gestern das saudische Königshaus die Terroristen zur „Rückkehr zu Gott“ aufruft, dann klingt das wahrlich paradox. Die Welt ist ein Spiegel. Das Königshaus hat Mitverantwortung für den Terrorismus und wird ihn jetzt schlicht nicht mehr los. Verzweifelt versuchen nun die Saudis, die Lehre wieder zu mäßigen und mit der absoluten Mehrheit der Muslime in Einklang zu bringen. Auch der Westen muss sich fragen lassen, ob sein unkritisches Verhältnis und seine bewusste Blindheit gegenüber Saudi-Arabien den Terrorismus nicht auch mitgefördert hat.