Der Palästina-Konflikt birgt auf beiden Seiten so ziemlich alle Krisen der Neuzeit: Demokratiekrise, Krise des Rechts, Krise der Ökonomie. Israel ist wohl heute weniger eine stabile Demokratie, als eine Staatsform des permanenten Ausnahmezustands. Sogar der Frieden wäre ein staatsgefährdendes Problem. Ohne die Krisen und die Milliarden aus den USA wäre der Staat, im eher utopischen Friedensfall, nicht lebensfähig.
Das Gleiche gilt für das palästinensische „Staatsgebiet“. Ohne die Hilfsleistungen der Drittländer – die den Ausnahmezustand erträglich gestalten sollen – könnte der Mythos eines Staates noch weniger plausibel aufrecht gehalten werden. Die Ideologie der Hamas ist eine Staatsideologie, die den Staat als höchstes Gut setzt, sich von vielen Begrenzungen und Einschränkungen des islamischen Rechts gleichzeitig verabschiedet: so sind die Stiftungen politisiert, das Denken ideologisiert, die asymetrische und rechtlose Kriegsführung und der Zynismus der Selbstmordattentäter akzeptiert.
Ägypten sorgt durch seine Mauer dafür, dass die Einheit von Volk und Territorium, die den modernen Staat ausmacht, bestehen bleibt. Peinlich ist auch die wenig mutige Aufgabe der EU-Mission, die, aus humanitären Gründen, den Grenzübergang Rafah sichern sollte.
Die Anmerkungen der Bundeskanzlerin Merkel, die eine Alleinschuld und Alleinverantwortlichkeit der Hamas konstruiert, zeigt die Krise des Rechts und des Rechtsempfindens, das offen der Parteilichkeit geopfert wird. Beurteilungen, wie vom UN-Beauftragen Richard Falk, muss Merkel ignorieren:
„Certainly the rocket attacks against civilian targets in Israel are unlawful. But that illegality does not give rise to any Israeli right, neither as the Occupying Power nor as a sovereign state, to violate international humanitarian law and commit war crimes or crimes against humanity in its response. I note that Israel's escalating military assaults have not made Israeli civilians safer. „
Die Fakten und Kräfteverhältnisse in dem Konflikt sind klar: Israel beklagt einen Toten, die Palästinenser 500 Tote und tausende Verletzte. Zum globalen Denken in überlegenen Werten gesellt sich wieder einmal die Rechtlosigkeit, wenn diese Werte gegen den Unwertigen verteidigt werden.
In der Süddeutschen Zeitung findet sich Peter Sloterdijk mit der Dauerkrise 2009 so ab: „Nein. Nach dieser Definition ist der Zustand, in dem wir uns befinden, keine Krise. Denn, und darüber sind sich alle einig, das Resultat der jetzigen Krise kann nur die nächste Krise sein. Das Beste, was wir erreichen können, ist eine Vertagung der Endkrise oder besser: das Außerkraftsetzen der Endkrise durch die permanente Krise.“