„Rettet unser Geld!“ – der Titel spielt etwa in der gleichen Tonlage „wie Deutschland schafft sich ab!“, dürfte aber in den Medien weniger populär sein, da Hans-Olaf Henkel ins Mark der diversen Machtinteressen um den Euro zielt. Henkel tritt in dem Buch als der andere Gesellschafter der Sarrazin-Unternehmung an, die zur Rettung der alten Bundesrepublik angetreten ist. Das Buch könnte bald auf den 2. Platz der Top 10 der Sachbücher dieses Jahres rücken.
Mit dem – so Henkel – „Ehrenmann“ Sarrazin verbindet ihn die Abscheu gegen einen demokratischen Sozialismus, der die Menschen, aus Sicht der beiden älteren Herren, in die nationale Selbstaufgabe und Multi-Kulti-Einförmigkeit führt. Man spielt sich über Bande die Bälle zu. „Man möchte das Buch zur Pflichtlektüre für jeden Bundestagsabgeordneten machen, damit der Bundesregierung endlich mal die richtigen kritischen Fragen gestellt werden“ so liest man in der Widmung Sarrazins auf dem Buchdeckel.
Liest man die 207 Seiten lange Abrechnung Henkels mit der deutschen Politik und zur Finanzkrise, möchte man Sarrazin diesbezüglich zustimmen: Ja, da sind tatsächlich einige Fragen rund um das „Primat der Politik“ offen geblieben. Henkels Buch arbeitet einige dieser unbequemen Fragen klug heraus. Henkel, ehemaliger Chef des BDI, ist im Rentenalter, muss nichts mehr erreichen und bläst als erster Prominenter zur fälligen „Generalattacke“ auf den Euro. Henkel bekennt sich zwar „schuldig“, den Euro mit verbrochen zu haben, prangert aber auch den „Wegfall der Geschäftsgrundlage an“. Er wirft der Politik „Versagen“, „Inkompetenz“, gar „Betrug“ vor und prangert die planmäßige Ausbootung der „Bundesbank“, nach Henkel die eigentliche Hüterin der Finanzverfassung, an.
Die alte D-Mark war für Henkel mehr als ein Zahlungsmittel, so heißt es beinahe romantisch in dem Buch. Das liebe Geld der Deutschen sei zwar auch etwas inflationär, aber doch immerhin das „Symbol der Einheit unseres Volkes“ gewesen. Durch die fortlaufende Aufwertung der „harten“ Währung sei die Industrie zur Wettbewerbsfähigkeit angetrieben worden. Dann kam der Euro. Die findigen Franzosen, in Person von Mitterrand, hätten sich die Einheit von Kohl abkaufen lassen, mit dem Euro. Aber immerhin, so erinnert Henkel, habe der gute Theo Waigel die europäische Finanzstruktur nach DIN-Norm, nicht etwa nach französischem Vorbild („laissez faire“) geprägt.
Dann kam der „Putsch“. So nennt es Henkel wirklich. Erst wurden Defizitverfahren nicht ernst genommen, die Maastricht-Kriterien aufgeweicht, die Amigos aus Griechenland ins lecke Boot genommen und dann als vorläufiger Höhepunkt und schon bei leichtem Nieselregen der europäische Schuldenrettungsschirm aufgespannt. Sarkozy hatte Merkel mit Sturm, Böen, der Angst vor dem sofortigen Untergang der Währung, der Welt, der Nation gedroht und – so Henkel bitter – mit dem alten, bleichen „Franc“. Henkel zitiert in dieser Sache trocken den ifo-Chef Sinn als Zeuge: „Nicht der Euro, das französische Bankensystem war in Gefahr“. Die Folgen für die Deutschen fasst Henkel so zusammen: „Ich fürchte, sie haben bis heute noch nicht gemerkt, dass es an jenem Maittag 2010 in Brüssel zu einem Putsch gegen herrschendes Recht, einer Untreue gegen den deutschen Staat und einem finanziellen Betrug am deutschen Steuerzahler gekommen war“.
In dieses Bild des „Putsches“ passt auch die – allerdings unbewiesene – These Henkels, der ehemalige Bundespräsident Köhler sei im Mai 2010 wegen des – im Grunde verfassungsfeindlichen – Drucks zur Zeichnung des europäischen Rettungspaketes zurückgetreten. Wie auch immer – Köhler und Henkel werden, ohne die eigentliche Systemfrage, zum Beispiel nach der Legitimität des Zinses, überhaupt zu stellen, nun altersweise. Das „Monster“ haben sie zwar erst im letzten Moment entdeckt, es hat aber immerhin nicht ihren Intellekt zerschlagen. Jetzt kommen die Fragen: Wer ist Goldman Sachs, die in den USA „Government Sachs“ genannt wird? Gab es einen „Coup de Banque“? Warum gibt es zu den Skandalen der Landesbanken, der IKB-Bank und den Milliardenverlusten für die deutschen Steuerzahler nicht einmal einen Untersuchungssausschuss?
Kurzum, so Henkel böse, wir „schaffen uns nicht nur ab“ – wir zahlen auch künftig die Schulden aller anderen Völker. Wir haben „zuviel Ausländer“ und wir müssen „zuviel Zahlen“ – kürzer könnte das 2-Punkte Programm für eine populistische Partei von Sarrazin, Henkel & Co. wirklich nicht ausfallen. Kopfzerbrechen dürfte den etablierten Parteien, die mit ihrer Behauptung der absoluten Alternativlosigkeit des Handelns die Politik gleich abschaffen könnten, die dezionistische These Henkels machen: Es gibt Alternativen! Einfach raus aus der Euro-Zone! Offen bleibt aber auch dann, ob mit Nord-Euro, Oliven-Euro oder D-Mark das globale „Papiergeldexperiment“ ohne Systemwechsel jemals funktionieren kann.
Hans-Olaf Henkel, „Rettet unser Geld!“, Heyne Verlag, 207 Seiten, 20,90 Euro