Es ist bedauerlicherweise ein Leit- und Leidmotiv des 21. Jahrhunderts: die Auflösung der alten Rechtsvorstellungen von „Ordnung und Ortung“. Der Jurist Carl Schmitt hatte die Trennung beider Prinzipien als Kennzeichen des Nihilismus und – als Folge daraus – als Zustand allgemeiner Verantwortungslosigkeit definiert.
Das Lager – per Definition ein Ort ohne Ordnung und als Verortung absoluter Rechtlosigkeit eigentlich mit den Schrecken der Ideologien des 20. Jahrhunderts verbunden – konnte auch das demokratische Zeitalter – man denke nur an den „Kampf gegen den Terrorismus“ – nicht überwinden. Es wäre zudem eine Debatte wert, ob auch die mit Stacheldraht abgesicherte Textilfabrik in Bangladesch – errichtet zur Sicherung der Profitabilität globaler Billigproduktion – dem Grund nach eine besondere Form des modernen Lagers ist.
Unter den zahlreichen Abgründen dieser Zeit, die wir als „mediale Zaungäste“ bezeugen müssen, ohne irgendwie handeln zu können, gehören auch die perfiden Zustände in Burma (Myanmar). Hier taucht ein neues Schreckensbild des 21. Jahrhunderts auf: der „Staatenlose“.
Ein – so genannter – „Untersuchungsausschuss“ des asiatischen Staates hat die Staatenlosigkeit der verfolgten Minderheit der Rohingya offiziell bestätigt. Das heißt nach der Logik dieser Regierung, dass diesen Menschen keine Bürgerrechte bleiben, wohl aber „das nackte Leben“, das – so die Offiziellen – künftig besser geschützt werden soll.
Der Ausschuss verklärte die barbarische Lage der Minderheit in die Logik eines „Rechtsstaates“. In Anwendung modernster Terminologie wurde behauptet, die Strafverfolgung in Rakhine künftig zu verbessern, die Menschenrechte zu schützen und – ohne den Buddhismus namentlich zu erwähnen – gegen „extremistische Lehren“ vorzugehen.
Die Trennung von „Menschenrechten“ und „Bürgerrechten“ erinnert aber wiederum an das Postulat Schmitts („wer von Menschheit spricht, will betrügen“), denn de facto gibt es natürlich kein Gericht, bei dem die Minderheit im Lande etwa gegen ihre Verfolgung durch Militärs, Polizei und Rohstoffagenten klagen könnte.
Bedenkt man parallel dazu die verheerenden Zustände in den „gescheiterten Staaten“, dann kann man nur hoffen, dass sich kein globaler Nihilismus durchsetzt, der das alte Maß göttlich inspirierten Rechts endgültig verdrängt. Bestimmt durch das Kleid der Ideologie wird auch der religiös Motivierte schließlich zum Vernichter und Machttechniker, der seine politische Ziele dem Recht überordnet.