Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Schatzsucher

„Wenn der Sozialismus beziehungsweise das Gemeinwohldenken gescheitert ist, wie man frivolerweise behauptet, bleibt der Asozialismus. Den diskutieren wir zumeist unter dem etwas höflicheren Begriff Individualismus, und zu dem bekennen wir uns meistens gerne. Aber was sind konsequente Individualisten? Es sind Menschen, die ein Experiment darüber veranstalten, wie weit man beim Überflüssigmachen sozialer Beziehungen gehen kann – und sie gelangen dabei zu erstaunlichen Fortschritten. „ (Peter Sloterdijk, im Interview im Manager-Magazin)

Natürlich nützt es nicht besonders viel, wenn man angesichts der Finanzkrise sagen kann, man habe den Kollaps vorhergesehen. Besonders diejenigen, die den Koran aufmerksam gelesen haben, dürften die neuesten Entwicklungen sowieso kaum überraschen. Triumphal wird man sich – angesichts der ungeheuren Probleme und Umwälzungen, die uns allen bevorstehen – sowieso kaum fühlen können.

Es ist dennoch intellektuell interessant, wer das Schlamassel geahnt hat. Peter Sloterdijk erfüllt den alten Anspruch an den Philosophen, dass dieser „auf seinem hohen Berg“, die sich anbahnenden Dinge früher als Andere voraussieht. Im Manager-Magazin spricht Slotedijk gewohnt wortgewaltig über seine Voraussicht auf die – so Sloterdijk – „Weltverschwörung der Spießer“. Sloterdijk hatte über die Jahre, in vielen Texten, Interviews und vor allem in seinem Buch „der Weltinnenraum des Kapitals“ die „Kollapsverzögerung im gierdynamischen System“ beschrieben.

Seine Kritik am Finanzsystem ist gewohnt schonungslos: „Es ist nicht die Gier, die das System antreibt, die Fehlsteuerung geht von den Zwängen des Billigkreditsystems aus: Wenn die Zentralbanken kostenloses Geld ausspucken, wäre es für echte Global Player ruinös, es nicht zu nehmen.“

Natürlich konnten die „eingebetteten Journalisten“ (Sloterdijk: „Sie schreiben dem Tagesbefehl gemäß und ziehen mit ihrer Truppe ins Feld“) und Wirtschaftsjournalisten vor der Krise beinahe berufsmäßig nur die Augen schließen. Ich war neulich diesbezüglich mehr als überrascht, dass im Interview mit Elke Heidenreich der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Aust beinahe kindlich freimütig zugab, er habe die Krise erst vor einem Jahr als solche erkannt.

Angenehm ist auch, dass Sloterdijk sich nicht mit der moralischen Bewertung einiger Bösewichte in Nadelstreifenanzügen verliert. Sloterdijk interessiert sich mehr für den grundsätzlichen Zustand unseres Gemeinwesens und was die Dynamik des inflationären Geldes aus uns selbst macht, die offene „Refeudalisierung“ der Gesellschaft, die gebotene amoralische Seite des Handelns, die in der Konsumgesellschaft typische Schürung passiver und aktiver Eifersucht ( Allgemeines Motto: Strebe nach dem was der Andere hat ! ).

Der Mensch – so Sloterdijk im Interview weiter – sei heute ein Schatzsucher, der den Schatz nicht mehr im Jenseits, sondern auf der Erde vermutet.