Die sogenannte Schuldenbremse zwingt die Regierung zu kurzem Innehalten.
Im Haus der Weimarer Republik wird aktuell an eine geschichtliche Erfahrung erinnert: die Hyper-Inflation 1923. „Nichts hat das deutsche Volk – dies muss immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden – so erbittert, so hasswütig, so hitlerreif gemacht wie die Inflation“, schrieb Stefan Zweig in seinen Erinnerungen über „Die Welt von Gestern“.
Schuldenbremse: Hyperinflation traumatisierte die junge Weimarer Republik
Die Regierungen der Weimarer Republik, finanziell von gigantischen Kriegsfolgelasten geplagt, sahen keinen anderen Weg, als die Finanzierung mit dem Gelddrucken zu gewährleisten. Nach Angaben der Reichsbank zirkulierten am Ende der Hyperinflation rund 496 Trillionen in regulären Banknoten.
Im November 1923 war die Währung völlig zerrüttet und ein Brot kostete über 800 Milliarden Mark. Im letzten Jahrhundert rettete die Einführung der Rentenmark die Weimarer Ökonomie, bevor dann 1929 die Weltwirtschaftskrise, Bankenpleiten und Massenarbeitslosigkeit Millionen Deutsche zu Beginn der 1930er Jahre endgültig in die Arme der Nationalsozialisten trieb.
Das Trauma dieser Erfahrungen und die Erkenntnis, dass die Ökonomie Teil des Schicksals ist, reicht bis in die Gegenwart. In der verschärften Inflation seit Ausbruchs des Ukraine-Krieges ist es der enorme Anstieg der Rohstoff- und Energiekosten, der die Preise wieder steigen lässt. Viele BürgerInnen im Land beklagen die Auswirkungen der Teuerung in ihren Geldbeuteln.
Auf dem Rundgang durch die Sonderausstellung 1923 in Weimar werden die Besucher hinsichtlich sich andrängender Parallelen beruhigt. Auf den Schautafeln der Ausstellung werden die Unterschiede zur Vergangenheit und die noch beherrschbaren Inflationsraten in der aktuellen Krise betont. Aber, angesichts der Polarisierung der Menschen, den wachsenden Schulden und der steigenden Bedeutung der Rechtspopulisten werden die Vergleiche zu den Weimarer Verhältnissen immer wieder bemüht.
Eine erfolgreiche Wirtschaft federt Konflikte ab
Und, man wird daran erinnert, dass viele gesellschaftliche Konflikte sich mit den Mitteln einer florierenden Wirtschaft leichter abfedern lassen. Wie die Verteilungskämpfe der Bundesrepublik sich unter den Vorzeichen echter ökonomischer Zerrüttungen gestalten, bereitet vielen im Land starke Kopfschmerzen. Die alten Befürchtungen vor dem Rechtsruck, der Europa zurück in den Nationalismus führt, ist längst zur Wirklichkeit geworden.
Die Diskussionen über die Werthaltigkeit des Geldes und die – typisch deutsche – konservative Haltung gegenüber der Verschuldung, hat eine lange Tradition. Im Jahr 2012 erinnerte der ehemalige Präsident der Bundesbank, Jens Weidmann, an den traditionellen Kontext der ökonomischen Grundhaltung der Bevölkerung. Für den Banker erkannte bereits Goethe das Kernproblem der Geldpolitik.
Der Dichter hatte in seiner Zeit das Dilemma der Heutigen, auf Papiergeld fußenden Wirtschaft analysiert und literarisch festgehalten. Weidmann beeindruckt, dass der Finanzminister des Fürstentums den potenziell gefährlichen Zusammenhang von Papiergeldschöpfung, Staatsfinanzierung und Inflation – und somit den Abgrund ungedeckter Währungsordnungen – in „Faust II“ beleuchtet.
Durch den staatlichen Zugriff auf die Notenbank in Verbindung mit großem Finanzbedarf wurde die Geldmenge häufig zu stark ausgeweitet, das Ergebnis war die Geldentwertung.
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Thema Inflation ist zurückgekehrt
Das Thema scheint uns in diesen Tagen wieder einzuholen. Über Jahre hielt die Bundesregierung die schwarze Null. Coronapandemie, Ukraine-Krieg und Energiekrise zwangen den Staat zur Aufnahme von Rekordsummen. Die deutschen Staatsschulden sind im Jahr 2022 um 71 Milliarden auf 2,57 Billionen Euro gestiegen.
Allerdings führen ausufernde Verbindlichkeiten (und das Geld drucken) allein nicht automatisch zu hoher Inflation. Seit der Finanzkrise 2007/8 waren die Inflationswerte in Deutschland und in vielen anderen wichtigen Industriestaaten niedrig – trotz steigender Staatsverschuldung. Ob das so bleibt, ist umstritten.
Kritisiert wird die aktuelle Schuldenpolitik vor allem von Ökonomen aus dem rechtskonservativen Lager wie Monetaristen, neoliberalen Vertretern marktradikaler Wirtschaftstheorien oder Anhängern der österreichischen Schule.
Demgegenüber stehen Meinungen, welche den Schuldenstand als unproblematisch erachten und sogar davor warnen, dass man sich tot spart. Ob ein Weg zum nachhaltigen Wohlstand ohne Rücksicht auf die Neuverschuldung gelingt, ist eine der großen Glaubensfragen unserer Zeit.
Es ist wichtig, die psychologische Seite im Kontext ökonomischer Dynamik zu verstehen, die den Alltag mehr den je prägt. Hans Binswanger erklärt in seinem Buch „Geld und Magie“ das Dogma der Moderne: Das Wachstum der Wirtschaft ist der Maßstab für die Entwicklung der Menschheit. Der Ökonom versteht die Geldwirtschaft im Sinne eines alchemistischen Prozesses: die Suche nach dem künstlichen Gold mit anderen zeitgemäßen Mitteln.
Die wundersame Geldvermehrung hat an ihrer Strahlkraft bis heute wenig verloren. Unter der permanenten Notwendigkeit des ökonomischen Wachstums wächst die zunehmende Unfähigkeit, den Reichtum, den man erzeugt, zu genießen.
„Der Investor ist daher in höchstem Maße durch die Sorge über die künftige Entwicklung der Wirtschaft geplagt. Nie kann er sich mit der Gegenwart zufrieden geben. Er wird vielmehr prognosesüchtig. Er hält nach allen Arten von Prophezeiungen Ausschau und fühlt sich ständig von Unglücksbotschaften bedroht.“
Aus diesem Phänomen erklärt sich unsere Unfähigkeit, aktuelle Ereignisse in ihrer Bedeutung, länger ins Visier zu nehmen, da sich am Horizont stets neue, größere, bedrohlichere Szenarien abzeichnen. Die sozialen Medien verstärken den Eindruck kurzer Verfallszeiten menschlicher Aufmerksamkeit – sei es in den Modi der Empörung, Nachdenklichkeit oder Betroffenheit. Hoch im Kurs stehen Sender mit großen Reichweiten, die Emotionen und simple Botschaften unter das Volk streuen.
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Tragik der Volkswirtschaften: keine Investitionen in die Zukunft
Es gehört zur Tragik unserer Zeit, dass die Volkswirtschaften hohe Summen nicht in wichtige Zukunftsprojekte investieren, sondern unter dem Druck der Verwerfungen in die Bewältigung destruktiver Krisen verschwenden. Goethes Faust suchte den Ausweg durch den Fortschritt in die selbst geschaffene, in die alchemistische Lehre der Geld- und Wertschöpfung, von der die Sorge ausgeschlossen scheint, weil in ihr die Begrenzung der Welt und der Zeit aufgehoben ist.
„Wir leben die Überzeugung des modernen Menschen, er könne alle negativen Folgen der Technik und des wirtschaftlichen Wachstums mit immer noch mehr Technik und immer noch mehr wirtschaftlichen Wachstum überwinden“, schreibt Binswanger.
Die Idee eigener Machtvollkommenheit lässt uns den grenzenlosen Schöpfungsprozess selbst fortsetzen. Darüber hinaus schafft das Vermögen, gigantische Geldmengen aus dem Nichts zu schaffen, gewaltige Machtoptionen: Finanzierbar werden Programme zur Sozialversorgung, zum ökologischen Umbau und neue Rüstungsprojekte zur Absicherung geopolitischer Interessen. Der Preis für diese Strategie ist hoch, denn den Fortschritt aufzuhalten oder mit dem aktuellen Zustand abzuschließen wird zur Illusion. Die Maxime lautet letztlich, mangels nachhaltiger Alternativen: weiter so.
Ironischerweise ist es in diesen Tagen das Bundesverfassungsgericht, das der Dynamik der Geldschöpfung einen Riegel vorschiebt und an die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse erinnert. Die Regierung hatte mit einem Buchungstrick 60 Milliarden Euro, ursprünglich für die Bewältigung der Corona-Krise vorgesehen, in einen anderen Topf verbucht und damit den Klima- und Transformationsfonds finanziert.
Für Metamorphosen fehlt das Geld
Jetzt fehlt das Geld an allen Enden, um eine Metamorphose einzuleiten, die in ihrem Ausmaß einer industriellen Revolution gleicht. Die Karlsruher Richter zwingen die Politik zu einem kurzen „Augenblick verweile“. Über den Stillstand ist nicht zuletzt der Bundeswirtschaftsminister, Robert Habeck, nicht glücklich: „Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Art, wie die deutsche Schuldenbremse konstruiert ist, für zu wenig intelligent halte.“
Er befürchtet, dass an der altmodischen Bremse die Mission des ökologischen Umbaus und die Abfederung ihrer sozialen Folgen an Finanzierungsfragen scheitert. Statt von langfristiger Haushaltspolitik ist von Notlage und Ausnahmezustand die Rede. Die Vision, die Bundesrepublik von der Abhängigkeit von Gas- und Ölimporten zu befreien und auf alternative Energie umzustellen, ist das Jahrhundertprojekt des Landes. Die Regierung steht unter hohem Druck. Im Moment hält sich die Koalition zwischen Grünen, Sozial- und Freidemokraten trotz des Gegenwindes.
Es ist weniger die Sympathie der Koalitionäre und eine gemeinsame Überzeugung, die das Bündnis zusammenhält und Neuwahlen verhindert, sondern die Aussicht auf Weimarer Verhältnisse, die sich in den Wahlerfolgen der neuen Rechten im Land zeigen. Hier schließt sich der Kreis, ökonomische Probleme und das Schüren von Ängsten sind der ideale Nährboden für das Erstarken von Populisten.