Was kommt nach den jüngsten Revolten am Golf? Dieser Frage gingen wir am Freitag auf einer Podiumsdiskussion der IZ nach. Beunruhigend – gerade für den auf Planung des ökonomischen Wachstums fixierten Westen – sind die zahlreichen Fragezeichen rund um die alten „Partnerstaaten“ Lybien, Ägypten und Tunesien. Nur eines scheint sicher: Es gibt in der augenblicklichen Lage mehr Ungewissheiten als Gewissheiten. Wieder einmal trennt sich anhand der Einsicht, dass unser aller individuelle und politische Existenz am „seidenen Faden“ zu hängen scheint, gleichzeitig für den Beobachter, Glaube von Unglaube – nämlich mit der Konsequenz der jeweiligen Interpretationsweise der jüngsten Ereignisse. Herrscht hier die Willkür des Zufalls oder fügt sich ein Schicksal, beklagen wir die die Vollendung einer Chaostheorie oder offenbart sich ein unausweichliches Kapitel der Schöpfungsgeschichte?
Von Beginn an irritierend für die gewohnte Einordnung der Bilder waren die ungewohnten Perspektiven: Es brennen keine israelische oder amerikanische Flaggen, es gibt keine dunklen Parolen, kaum politische Losungen, es wird auf den öffentlichen Plätzen gebetet und gesungen und – wenn auch im Falle Libyens – auch leider zunehmend gekämpft. Die arabischen Massen scheinen sich ihrer eigenen Ziele noch nicht gewiss und natürlich ist daher die Sorge berechtigt, welche politische Machenschaften sich ihrer habhaft werden könnten. Hier reicht die Spannbreite der negativen Möglichkeiten von Ideologien, wie der Hizbollah, bis hin zur kriegerischen Intervention raumfremder Mächte.
Der Schrei nach militärischer Intervention in Lybien wird bereits einigermaßen scheinheilig mit der Verletzung von Menschenrechten begründet, deren Ideale – nicht nur im Falle Ägyptens – seit Jahrzehnten mit westlicher Hilfe verraten wurden. De facto versucht die ökonomische Bewegung dahinter – bunt gemischt aus Neocons, Wall Street-Jüngern und Islamkritikern -, die demokratische Bewegung des Westens weiter zur eigenen Machtsicherung zu instrumentalisieren. Demokratie ist natürlich in diesem Falle eine jederzeit gelenkte, mit Millionenaufwand gesteuerte Einrichtung zu Gunsten der westlichen Welt.
Die eigentliche Frage der Zukunft dürfte sein, wer im neuen Machtvakuum der arabischen Welt die muslimische Völker vor Ideologien oder aber dem Ausverkauf ihrer Ressourcen an Dritte besser schützt. Die Qualität des benutzen Geldes wird bei einer neuen Fairness der Handelsbeziehungen eine entscheidende Rolle spielen müssen. Politisch relevant und konstruktiv ist daher derjenige, der eine neue freiheitliche ökonomische Strategie zu präsentieren vermag. Also den größeren Zusammenhang der Revolten mit der aktuellen Finanzkrise erkennt.
Hier könnten die Monarchien, wenn sie sich wieder auf ihre originäre Rolle als Dienstleister ihrer Völker besinnen und auf ihre Tradition, der Priorität des Rechts gegenüber Oligarchen und Diktatoren Nachdruck zu verleihen, eine stabilisierende und zunehmend wichtige Rolle spielen. Aus dem Islam heraus könnte ihre Legitimität glaubhaft werden, wenn sie revolutionäre Ideologien und den Ausverkauf an die Börsenhändler und Spekulanten gleichermaßen stoppen. Positiv gedacht und in den traditionellen Kontext gesetzt schützt die Zakat vor Oligarchen, der islamische Dinar vor dem Wertzerfall, das Selbstmordverbot vor Terroristen und das Recht insgesamt vor Diktatoren.