Einer der Mächtigen aus dem Medienfeld hat einmal gesagt, dass Medien nicht Nachrichten erfinden, wohl aber Tatsachen verstärken könnten. Medienmacht zeigt sich sicher auch darin passende „“Helden““ zu schaffen, oder eben ganze Debatten zu lenken, zu verstärken oder – ganz wichtig – auch zu beenden. Gute zu beobachten war dies bei der Berichterstattung über die Islamkonferenz. Die Debatte wurde beendet, nach dem Vorwürfe „“eines Diktats von oben““ laut wurden und die vielbesungene Minderheitenpolitik in Deutschland plötzlich in einem fahlen Licht erschien – kurz danach war die Debatte, die eigentlich hätte spannend sein können, einfach vorbei. Der abschließende Umstand, dass auch der moderate ZMD sich über das Verfahren der Konferenz beklagte und nun wohl ganz fern bleibt, wurde praktisch gar nicht mehr kommentiert. Wobei gerade dieser Umstand in der für Deutschland wichtigen arabischen Welt schon zur Kenntnis genommen wird.
Apropos Helden. Schön heute auch eine Hommage an Frau Kelek in der „“Deutschen Welle““ – sie ist nun dort eine „“Wächterin der Demokratie““. Der inhaltsfreie Text der Deutsche Welle kann man dabei getrost vergessen, allein in der Überschrift klingt die pseudo-religiöser Verehrung und verbreitet auf seine Weise ein gelungenes Bonmot. Grundsätzlich bin ich auch für einen Wächterrat der Demokraten, mit Ratsfrauen und Ratsherren, die aber weniger Milieugeschichten aus dem Unterholz der Großstädte verwerten, sondern die eigentlichen Erosionserscheinungen der Demokratie in Augenschein nehmen, die uns jenseits aller Parteiungen wirklich sorgen sollten. In diesen Rat gehört zweifellos Hans-Ulrich Jörges vom „“Stern““, der sich immer auch mal wieder unbequeme Zwischenrufe erlaubt und mit seinem aktuellen Videoblog beweist, dass man auch mit einfachen Mitteln Wirkung erzielen kann. Seine Kritik über den „“Bluff der Bankenabgabe““ trifft den Kern: Deutschland ist gar nicht mehr fähig eine harte Politik gegen die Banken zu fahren.
Ansonsten bin ich ein wenig gelangweilt von den Islamdebatten dieser Woche, die, typisch deutsch, immer grundsätzlich unversöhnlich und mit seinen idealisierten Feindbildern schnell leicht totalitär wirken. Ich glaube Umberto Eco hat im Vergleich zu den Deutschen die virtuose Kompromissfähigkeit der Italiener hervorgehoben. In Italien führt ein einzelner Mafiosi eben nicht gleich zur Verdammung der ganzen Sippe! Ein bißchen mehr Italien würde dem kopflastigen Deutschland vielleicht wirklich nicht schaden. Ach ja Italien… – aber immerhin hier ist Wochenende und auch auf einem deutschen Balkon lassen es heute die Wetterverhältnisse zu, ein klein wenig südländische Atmosphäre aufkommen zu lassen. Zur Vertiefung trägt die Abkehr von Medien und die Hinwendung zur Literatur bei.
Thomas Hürlimann ist ein Schweizer Autor, der die „“große Weißung““ in Europa aus Sicht der kleinen Schweiz betrachtet. Aus seiner Sicht verdrängt das Europa der Konsumenten und der bürokratische Apparat nicht nur das Religiöse, sondern das Originäre überhaupt. Hürlimann hat nichts Provinzielles, wohnt er doch neben dem schweizerischen Einsiedeln auch in der Weltstadt Berlin. Der Islam kommt in seinen Büchern nur in einer Randnotiz vor. Eine sympathische junge Muslima aus seiner Berliner Nachbarschaft verschwindet und wurde, so berichtete er spürbar irritiert, offensichtlich in eine „“Zwangsheirat““ in die Türkei gezwungen. Wegen dieser unschönen Geschichte würde ich ihn hier nicht erwähnen, hätte Hürlimann nicht diese wunderbare Beschreibung über wahre Partnerschaft in seinem Büchlein „“Der Sprung in den Papierkorb““, die man als Muslim nachfühlen und natürlich weder in einer Zwangsheirat, noch in einer bürgerlichen Zweckgemeinschaft auf Zeit wird finden können:
„Wer den Himmel abschafft, verliert den Glauben, jeden Glauben, auch den Glauben an die Liebe. Das auf sich selbst fixierte Ich kann den andern, die andere nicht finden. Es bleibt in der „“dunklen Kammer““ eingeschlossen, es ist, wie Siebenkäs, eine lebende Leiche. Sicher, auch ohne Absolutes finden Paare zueinander. Sie mögen sogar glücklich werden. Nur: Die Unendlichkeit, die einstmals in der Liebe endlich werden konnte, ist aus den Umarmungen verschwunden. Jean Paul nennt es „“poetischen Nihilismus““. Die Liebe lebt. Sie behält ihre Poesie. Allerdings wird sie nicht mehr vom Absoluten, sondern vom Nihil grundiert, von blanken Spiegeln.““</b> (Thomas Hürlimann, Der Sprung in den Papierkorb““) “
„2010-03-21″,“Spektakel um die Islamkonferenz“,“Islam ist längst ein Politikum in Deutschland. Das lernt man spätestens bei der Berichterstattung über die Islamkonferenz und die Debatte über den „“politischen““ Islam. Schaut man sich bei google.de die „“published opinion““ einmal näher an, dann fällt auf, dass es dutzende Artikel gibt, dass aber eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Argumente, die sich mit der Teilnahme an der Konferenz selbst beschäftigen, in den Medien nicht (mehr) vorkommt. Das allgemeine Phänomen, dass man nun beobachtet, ist zeitgemäß, es heißt „“Personifizierung““ der Politik, das heißt, wichtiger als lästige Inhalte sind nun die Personen.
Praktisch ohne Gegenrede wird auch in den Mehrheitsmedien das „“Diktat von Oben““ (Kermani), das den Geist der Konferenz ja irgendwo kennzeichnet, akzeptiert. Der Staat reicht den „“unaufgeklärten““ Muslimen die Hand – wer diese Hand gar ausschlägt, wird nicht nur in das konservative Lager eingewechselt, sondern dem wird auch keiner mehr helfen. „“Angst essen Seele auf““, so kommt es einem vor, blickt man nun in die ratlosen Gesichter der letzten, nicht zu beneidenden „“Islampolitiker““.
Man betrachte aber die Zwangsehe „“Politik““ und „“Islam““ näher:
Allein wichtig, auch in den Medien, ist nun die Präsentation eines neuen, absolut politischen Islam, den es nun nur noch in zwei unversöhnlichen Varianten gibt; nämlich als „“konservative““ und als „“liberale““ Denkrichtung, mit jeweils als „“liberal““ und „“konservativen““ geltenden Vertretern. Der Staat moderiert dankenswerterweise den selbstzerfleischenden Vorgang und definiert die Zeichen, die in der Leitkultur als „“liberal““ oder „“konservativ““ gelten sollen. Achtung: Wer nicht nur Prügelknabe sein will oder seinen Job behalten muss oder auch nur ein wenig mit dem Hype schwimmen will, wird sich nun für die „“liberale““ Schule entscheiden müssen! Und: der Druck wird natürlich enorm anschwellen, für alle Muslime, die sich „“individualistisch““ definieren, zum Beispiel, weil sie aus guten Gründen den Islam nicht Funktionären überlassen wollen, aber sich nun alleine ins Getümmel stürzen müssen.
Bekennen, beten, zahlen, fasten, pilgern: Natürlich bleibt verschwommen, wie man den Islam künftig „“konservativ““ oder „“liberal““ praktizieren soll, es sei denn, man betrachtet das einzige denklogische Ende der politischen Dialektik: denn eines Tages ist das Praktizieren selbst „“konservativ““ und das Nichtpraktizieren „“liberal““. Folgerichtig verhandelt der Staat auch heute schon mit – natürlich „“liberalen““ – Islamgegnern. Man mache sich auch über die gesellschaftliche Dynamik (Funk und Fernsehen) des Integrationsprozesses bitte nichts vor: diejenigen, die heute noch als „“liberal““ gelten, sind morgen schon die neuen „“Konservativen““.
Kann man den Islam überhaupt unter diesem ernormen politischen Druck in seiner Substanz verteidigen?
Wenn es einen echten Grund gibt, der Konferenz fern zu bleiben, dann ist es genau diese zwanghafte Politisierung der Konferenz, aller TeilnehmerInnen und des Islam. Islam ist mehr als Politik. Hierzu noch ein Lehrsatz: Jeder politische Islam setzt seine Machenschaften, so oder so, höher, als es ihm die Grenzen des islamischen Rechts eigentlich erlauben. Vor politischen Extremen, so oder so, werden daher Muslime nicht von Politikern, wohl aber von unbestechlichen Gelehrten geschützt.
Aber es gibt auch Lichtblicke, eine wachsende Schar muslimischer, jüdischer und christlicher Intellektueller, die allmählich den totalitären Zug des Integrationsprozesses, zugunsten einer seelenlosen Konsumentengesellschaft, selbst erkennen.
In Berlin hat mir neulich ein Diplomat eine Geschichte erzählt, deren Wahrheitsgehalt ich natürlich nicht kenne. Die Geschichte geht so: Die CDU-Vorsitzende Merkel hat in Berlin die stärker werdende Arbeitsgruppe „“Christen in der CDU““ empfangen. Diese Gruppe möchte christliches Gedankengut wieder stärker in die CDU einbringen. Man dachte, man würde nun über diese Inhalte sprechen, es sprach aber nur die Parteivorsitzende. Sie strafte die Gruppe in einem Monolog nur rüde ab und schickte die sprachlosen Christen wieder weg. Vielleicht ist die Geschichte unwahr, aber man kann sie sich irgendwie gut vorstellen.