„Der Finanzsektor hat inzwischen genügend Einfluss, um die Regierungen in solchen Notfällen davon überzeugen zu können, dass die Wirtschaft zusammenbrechen werde, falls man „die Banken nicht rettet“. In der Praxis erlangen die Banken dadurch eine noch größere Macht über die Politik, und sie nutzen diesen Machtzuwachs, um die Wirtschaft noch weiter zu polarisieren. Hier handelt es sich um einen Konflikt zwischen nationaler Selbstbestimmung und den Interessen des Finanzsektors.“ (Michael Hudson, „Was sind Schulden?“, FAZ vom 2.12. 2011)
Ist es ein unüberwindbares System? Manchmal scheint es so. Euro-Kritiker wie Frank Schäffler oder Wolfgang Bosbach haben nach wie vor Schwierigkeiten, in ihren Parteien Einfluss zu gewinnen. In der Sendung „Finance TV“ beklagte Schäffler beinahe verzweifelt die andauernde Erpressung der politischen Klasse mit dramatischen „Untergangsszenarien“, die im Interesse der Investoren und Banken nachhaltigen Eindruck machen. Die Wirkung dieser Propaganda ist offensichtlich: Die scheinbare Alternativlosigkeit und der einfache Umstand, dass die Inflation in Deutschland noch nicht schmerzhaft spürbar ist, verhindert bisher jede Mobilisierung im Lande.
Auch in der Rumpfpartei FDP wird ein echter Kurswechsel in Sachen Euro wahrscheinlich scheitern. Seinen spektakulären Mitgliederentscheid wird der Eurorebell Frank Schäffler schon wegen der mangelnden Beteiligung der FDP-Mitglieder verlieren. Schäffler, der auf dem letzten Parteitag der Liberalen ganze 5 Minuten Redezeit erhielt, scheitert damit an dem inneren Widerspruch, seine richtigen Positionen in der falschen politischen Formierung zu vertreten. Der FDP-Politiker könnte zudem auch an Glaubwürdigkeit verlieren, sollte er aus dieser Situation tatsächlich keine weiteren Konsequenzen ableiten.
Was bleibt ist der bemerkenswerte intellektuelle Beitrag Schäfflers, der den Kern der Krise nicht wirklich darin sieht, ob wir Euro oder DM nutzen, sondern in dem Umstand, dass Banken das Recht haben „Geld aus dem Nichts zu schaffen“. Dieses grundsätzliche Problem kann – so Schäfflers Argumentation – auch eine Wiedereinführung der D-Mark nicht ändern. Diese Position gibt also zu bedenken, dass auch die D-Mark-Zeit in der Bundesrepublik gerade durch eine bewusste Defizitstrategie und Schuldenpolitik geprägt war.
Nötig wäre eine echte Ermächtigung der Bevölkerung durch eine Wahlfreiheit. Genau genommen geht es hier um mehr, als die Freiheit Parteien zu wählen. Es geht Schäffler vielmehr um ein Grundrecht der Bevölkerung, ihre eigene „gute“ Alternativwährung – beispielsweise als eine Gold- oder Silberwährung – auswählen zu können und damit Druck auf die Fiskalpolitik der Regierenden auszuüben. Die Bevölkerung wäre in einer echten Marktwirtschaft alltäglich an einer Volksabstimmung per Geldbeutel beteiligt. Die Schaffung immer neuen Geldes wäre in einem System der Wahlfreiheit jedenfalls nur noch schwer möglich.
Ansonsten geht die „Eurorettung“ mit dem Plan „Merkozy“, also einer europäischen Fiskalunion, in die nächste Runde. Der dahinter stehende Plan ist einfach: Jeder Euro-Rettungsplan, der nicht auf die Enteignung der Vermögenden hinausläuft, kann auf Dauer nur darauf hinsteuern, immer neues Geld zu drucken. Immer mehr neues Geld ohne Gegenwert zementiert den Einfluss der Banken. Die politische Frage, die den Aktivismus der politischen Klasse begleitet, muss also konsequenterweise lauten: „Wer regiert eigentlich wen?“ Sind Parteien überhaupt noch strukturell in der Lage, sich gegen den Einfluss der Banken abzugrenzen?
Der britische Journalist Robert Fisk nennt die Lage im Westen im „Independent“ bereits eine Art „Diktatur der Bankiers“. Der Ausnahmezustand, der die neuen Machtverhältnisse aufscheinen lässt, ist ökonomischer Natur. Der Widerstand der Bevölkerung und ihrer außerparlamentarischen Bewegungen werden, so Fisk, nicht nur mit demokratischen Mittel bekämpft. Nach Fisk konnten die arabischen Länder ihre Diktatoren zunächst direkt angehen, während im Westen die Finanzoligarchie hinter einem Schutzschild agiert.
In der arabischen Welt und im Westen stellt sich die Frage nach der Freiheit aber gleichermaßen: Die ökonomischen Strukturen entziehen sich im Rahmen der Globalisierung der demokratischen Kontrolle der nationalen Parlamente. Massive Verschuldung konterkariert die alte europäische Idee von Freiheit. Der gescheiterte Briefbombenanschlag gegen den deutschen Bank Chef Ackermann sorgt zudem für die weitere Diskreditierung aller „bank-kritischen“ Gruppierungen, die nun unter „Terrorverdacht“ stehen dürften.
Der ungebrochene Einfluss von Ratingagenturen und Bankhäusern lässt sich tatsächlich nicht abstreiten. In Italien und Griechenland kam es bereits zu einem geräuschlosen „Coup de Banque“ und damit zur de facto Übernahme der Macht durch Finanz-Technokraten. Alternative Parteien in Sachen Geld gibt es auch in Deutschland nicht und sollte es gar zu einem Regierungswechsel in Berlin kommen, wird eine Regierung mit der SPD wahrscheinlich sogar Eurobonds einführen, um den Untergang des Euros – „kostet es was es wolle“ – zu verhindern.
Für die europäische Intelligenz stellt sich die Frage nach der philosophischen Deutung der Finanztechnik und dem einhergehenden Ende der politischen Souveränität. Der arabisch geprägte Modernismus und sein Wille zur Macht hat als „politischer Islam“ diesen Zusammenhang zu keinem Zeitpunkt verstanden. Die einseitige politische Auslegung des Islams wird seinem Wesen nicht gerecht. Das islamische Wirtschaftsrecht, dass der politische Islam bisher nur als eine hinderliche Machteinschränkung begreift, birgt den Schlüssel für eine andere Ökonomie – jenseits von Kommunismus und Kapitalismus.