Oft hat das richtige Verständnis des Islam auch mit Juristerei zu tun. Wann beginnt der Ramadan? Wer ruft ihn aus? All diese Fragen berühren rechtliche Fragestellungen und unterliegen nicht etwa der politischen Willkür. Manchmal gibt es unterschiedliche juristische Meinungen, andere Dinge sind dagegen völlig klar.
Heute erleben wir eine engagierte Debatte über das Kopftuch und streiten lautstark über das ob und wie – eine wirklich zentrale Frage des Islam, die Zakat, wird allerdings kaum diskutiert. Obwohl die Zakat eine der Säulen des Islam darstellt, gibt es kaum eine öffentliche Debatte über das korrekte Zahlen der Zakat. Die Frage, ob man die Zakat bezahlt, ist aber wichtiger als die berühmte „Kopftuchfrage“. Im Qur’an werden „Zakat und Gebet“ dutzende Male eindringlich und ausdrücklich zusammen erwähnt. Die Fragen, um die es geht, sind einfach: wann, an wen, wie, wo?
Dabei müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass die Zakat nicht etwa nur eine Sadaqa, also ein Almosengeben, darstellt. In Wirklichkeit geht es bei der Zakat nicht nur um Geld, dass man abgeben muss, sondern auch um eine zentrale Säule des sozialen Lebens: Die Zakat wird eingezogen von einer Person, sie wird sofort lokal verteilt, und die Anerkennung der Zakatpflicht bindet den Muslim an seine Gemeinschaft.
Die wichtigsten Regeln sind so zusammenzufassen:
1. Zakat muss durch den Leiter der muslimischen Gemeinschaft oder durch seine Bevollmächtigten eingesammelt werden.
2. Zakat von Vermögen muss in Gold oder Silber bewertet werden.
3. Zakat muss als Sachleistung gezahlt und verteilt werden, was im Falle von Vermögen Gold oder Silber oder einen entsprechenden Gegenwert meint.
4. Zakat muss lokal verteilt werden.
5. Nur in dem Fall, dass es vor Ort keine bedürftigen Muslime gibt, kann sie an anderen Orten verteilt werden, wobei man dann zunächst den nächstgelegenen Ort nimmt, statt etwa ins Ausland zu verteilen.
6. Was heute die meisten Leute muslimischen Hilfs- und Wohltätigkeitsorganisationen geben, fällt eher unter die Kategorie der Sadaqa und nicht unter die Erfüllung des Pfeilers der Zakat.
7. Zakatu’l-Fitr ist NICHT die Zakat, die Pfeiler der fünf Säulen ist.
Eine besondere Frage ist es auch, ob man die Zakat in Papiergeld bezahlen kann. In dem Buch „Islamische Ethik“ (Islâm Ahlâki, Hakikat Kitabevi, Erstes Buch, Teil 2) findet sich hier eine Andeutung der aktuellen Problematik:
„Beim Handel behauptet jeder, dass seine Produkte die Wertvollsten seien. Daher ist es notwendig, den gegenseitigen Wert von Produkten auf gerechte Weise zu messen. Der gegenseitige Wert von Dingen, Waren und Produkten wird mit Gold und Silber, d.h. Geld, gemessen. Gold und Silber werden ‘Naqdayn’ genannt. Das Papiergeld, was heute alle Völker benutzen, ist durch Gold gedeckt. D.h., dass die Regierungen, die viel Gold besitzen, viel Papiergeld drucken können. Wenn eine Regierung wenig Gold hat und trotzdem viel Papiergeld druckt, so ist dieses Geld wertlos. Denn, Allâhu Ta’âlâ hat Gold und Silber als Geld bestimmt. Nichts kann den Platz von Gold und Silber einnehmen. Daher muss die Zakât in Gold oder Silber berechnet und ausgehändigt werden. Es braucht einen gerechten Schiedsrichter, der gerecht ist und der, Gerechtigkeit wahrend, den gegenseitigen Wert der Dinge, Waren und Produkte durch Gold und Silber bestimmt. Dieser Richter, dessen Wort befolgt wird, ist die Regierung. Eine gerechte Regierung verhindert Unrecht und Schikanen. Sie sorgt für die Gerechtigkeit, die von Allâhu Ta’âlâ befohlen wird. Sie bestimmt den gegenseitigen Wert von Dingen, Waren und Produkten mit Gerechtigkeit.“