In den letzen Monaten sind euro- und bankenkritische Bücher regelmäßig Verkaufsschlager geworden. Millionen Leser studieren als Autodidakten die Auswüchse des kapitalistischen Lotteriebetriebes, staunen über die Kapazität der Banken, aus dem „Nichts Geld zu schaffen“ und sorgen sich um den gewohnten Lebensstandard. Der Kapitalismus zeigt sich dabei gleichzeitig von seiner wohl stärksten Seite, wandelt er doch auch die schärfste Kritik seiner Untertanen beinahe schlafwandlerisch in die bewährten Formen des Gelderwerbs.
Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel hat auch eines dieser mehr oder weniger provokanten Bücher geschrieben. „Zerschlagt die Banken“ heißt das Werk, nicht aus der Feder eines Revoluzzers, sondern eines besorgten Bürgers, der sich nach der dienenden Funktion der Banken sehnt und sich gegen die „Verzwergung“ der Politik wendet. Wie bei vielen anderen Bürgerlichen auch, klingen zwar auch bei Hickel zarte Sympathien für die emsigen Außenseiter der Occupy-Bewegung oder Attac an, aber im Grundton hofft sein Milieu auf Reformen, auf Einsehen und auf den Geist der Regulierung. Das Monster soll mit der Kraft des Gedanken gezähmt werden.
Wie weit kann und darf fundamentale Kritik eigentlich gehen? Vielen Deutschen, die unzufrieden sind mit den bestehenden ökonomischen Verhältnissen, gehen die meisten Reformen nicht weit genug, sie beschleicht zudem auch ein wenig Resignation. In Zeiten von Facebook und Twitter findet die Mobilisierung in virtuellen Räumen, aber kaum auf den Straßen statt. Die Idee einer eurokritischen Partei nimmt keine Fahrt auf oder wird schon in den Anfängen zerredet. „Eurorebellen“, wie die Abgeordneten Schäffler und Bosbach, werden von dem Establishment der etablierten Parteien abserviert. Für überzeugende Alternativen fehlt es an Persönlichkeiten oder aber am Betriebsmittel Nummer eins moderner Kampagnen: Geld.
Die Idee des Widerstands gegen die “Eurodiktatur” dümpelt so vor sich hin. Es ist kein Wunder, dass die erfolgreichste „Partei“ dieser Tage eigentlich gar keine Partei ist. Die Zufallsbekanntschaften des Internets, die sich in Form der Piraten zusammengeschlossen haben, sind eher eine Art virtuelle Bürgerbewegung. In der Webciety, die die gewohnten Gesellschaftsformen ablösen soll, sehen die Piraten in der Mobilisierung von “Usern” eine neue subversive Kraft der Demokratie. In der Sache sorgen sich die Piraten bisher mehr um Urheberrechte, als beispielsweise um die Abgründe der Finanztechnik, die die „cashless“ society anstrebt, wo der „User“ eines Tages nicht einmal mehr die Herrschaft über den eigenen Geldbeutel ausüben wird.
Noch immer sind wir gewohnt, gesellschaftliche Vorgänge in einer Art „Zweiweltenlehre“ einzuordnen. Das Spektakel der Politik und die Zahlenwelt der Ökonomie sind nach dieser Sicht zwei getrennte Bezirke, auf der einen Seite soll es um Macht und Verantwortung gehen, auf der anderen Seite um Eigentum und Besitzstände. Wenn wir als einfache Bürger Macht wollen, zum Beispiel um die ökonomischen Verhältnisse anders zu gestalten, bewegen wir uns ausschließlich auf dem uns kleinen Leuten zugewiesenen politischen Feld. Das Dilemma ist dann offenkundig, die bestehenden Parteien bieten in den entscheidenden geldpolitischen Ansätzen keinerlei Alternativen. Aus der Frustration heraus, dass die Politik erfolgreich ökonomisiert wurde, ohne dass wir uns wehren konnten, könnten die Wähler nun aber an eine andere Möglichkeit denken. Wäre es nicht möglich, unsere eigene Ökonomie zu politisieren?
Natürlich fehlt es uns normal Sterblichen an den entsprechenden Mitteln, um die ökonomische Macht zu politisieren. Wir haben nicht die finanzielle Kraft, Medienhäuser zu übernehmen oder Fernsehstationen einzukaufen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren und unsere politischen Überzeugungen unter die Leute zu bringen. Aber, es gibt eine ganz andere Ebene, die die eurokritische Bewegung bisher nicht für sich zu nutzen verstand. „Es gibt nichts Gutes außer man tut es!“ ist die Maxime dieser Politik. Dieser Anspruch strebt nach Aktionen, die das Gefühl der Vergeblichkeit politischer Reden ablösen könnte. Der Schlüssel zu einer anderen Form der Politik findet sich dabei schlicht in unserem Geldbeutel; es ist unser Geld.
Wir alle kennen das Postulat: Geld ist Macht. Kein Wunder also, dass diese Macht uns genommen ist. Die schärfste und bedrohlichste Waffe zur Lähmung der Bevölkerung ist zweifellos die Inflation. Seit Jahren wird uns aufgetischt, dass die Güter in unserem Warenkorb „billiger“ werden, dass das Inflationsgespenst nur in unseren Köpfen herumirrt. Die Praxis sieht anders aus, in Wirklichkeit wird unser Geld stetig weniger wert. Dabei ist die Inflation, so schreibt zumindest der Geldreformer Thorsten Polleit „keine Naturkatastrophe“, sondern „wird bewusst herbeigeführt“.
Nur wenige Wissenschaftler, wie beispielsweise der US-Ökonom Williams, haben untersucht, wie hoch die realen Inflationsraten in der westlichen Welt sind. In den USA hat Williams 1992 nachgewiesen, dass die tatsächliche Inflation mindestens 6% höher ist, als es die offiziellen Zahlen vermitteln. Für den modernen Politikbetrieb ist die Inflation ein Stilmittel, über das man nicht gern spricht.
Aber auch ohne wissenschaftliche Klärung wissen wir längst, dass wir vor einer Hyperinflation stehen, denn unsere Regierungen können überhaupt nur immer mehr Geld drucken, um die kostspielige Europhantasie und unsere wahnsinnige Schuldenwirtschaft am Leben zu halten. George Soros kommentierte den lästigen Widerwillen der Deutschen gegen eine entfesselte Geldpolitik in einem Interview in der ZEIT: „Aufgrund seiner Geschichte fürchtet Deutschland sich mehr vor der Inflation als vor der Rezession. Im Rest der Welt ist das genau umgekehrt.“ Aber auch auf der internationalen Ebene regt sich massiver Widerstand gegen unsere Geldpolitik, warum sollten auch Ölländer ohne Zwang und auf Dauer ihre kostbaren Ressourcen gegen unser wertloses Papier eintauschen?
Wenn Geld Macht ist, dann ist die Schaffung von Währungen eine Machtfrage. Hier berühren wir den Kernbereich der historischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Die Machtverschiebung von der politischen zur ökonomischen Ebene der letzten Jahrzehnte ist das große Thema von Ron Paul. „Das moderne Geld- und Bankensystem ist kein System des Freien Marktes“ verkündet der US-Präsidentschaftskandidat in seinem Wahlkampf. Für den Republikaner ist es ein „halbsozialistisches System, das sich in dieser Form in einem sauberen Marktumfeld nicht würde halten können“.
In Europa wurde über unsere Köpfe hinweg entschieden, dass die Zentralbanken ein Monopol der Geldschöpfung erhalten, mit dem sie wiederum ein System von Banken unterhalten. Die aktuelle Griechenlandkrise zeigt uns die Auswüchse des Systems auf. Die Europäische Zentralbank hat seit 2011 den Banken ohne weitere Auflagen eine Billion Euro zu einem Zinssatz von einem Prozent verliehen. Da die Banken das Geld zu einem höheren Zinssatz weitergeben, sind ihnen schon jetzt Zusatzgewinne von 90 Milliarden Euros sicher.
Die ursprüngliche Verknüpfung des Papiergeldes mit dem Versprechen, dass ihr Wert durch reale Güter abgedeckt ist, wurde seit den 1970er Jahren nicht nur in den USA stufenweise abgeschafft. Die Geldmenge wurde durch die Notenbanken bei zu vernachlässigenden Kosten beliebig ausgedehnt. Mit echten Werten wie Gold als Grundlage eines Geldsystems, dessen Menge durch Minenproduktion in den letzten Jahren gerade einmal um 1,5 % ausgedehnt wurde, ginge so etwas nicht. Was heißt dies für eine politische Strategie?
Wenn es uns als politische Denkende um die Rückgewinnung von Einfluss geht, werden wir uns um die Logik der Zahlungsmittel kümmern müssen. Die moderne Politik hat uns Bürger bisher vom Geldschöpfungsprozess ausgeschlossen. Unser demokratisches Grundrecht, selbst zu entscheiden, mit was wir bezahlen wollen, ist aus mehreren Gründen problematisch geworden. Es ist, wie die alternativen Währungsinitiativen zeigen, zwar nicht verboten, eigene Scheine in Umlauf zu bringen. Wir dürfen in Deutschland Geld, zum Beispiel auch in Form von privaten Münzen, schaffen. Allerdings wird der freie Markt der Zahlungsmittel durch wichtige Benachteiligungen der freien Geldschöpfung eingegrenzt. Wer beispielsweise in Deutschland Münzen verkauft, die nicht offizielle Zahlungsmittel sind, muss Mehrwertsteuer verlangen. Diese Pflicht gilt aber nicht für offizielle Zahlungsmittel, mit der Folge, dass der Staat Münzen schaffen kann, die billiger sind als privat hergestellte Münzen.
Warum ist das wichtig? Der Staat verhindert mit dieser Politik, dass wir monetäre Alternativen schaffen. Würde die Bevölkerung eigene praktikable Zahlungsmodelle schaffen, wäre die Monopolstellung des Staates, „schlechtes“ Geld zu schaffen, auf Dauer gefährdet. Der Staat verlöre auch das Mittel, Inflation als politische Strategie einzusetzen. Auch deswegen hat die Bundesbank mit einigem Argwohn Bestrebungen beobachtet, alternative Zahlungsmittel als Regionalgeld einzuführen. Die größte Angst dabei ist, dass mündige Bürger funktionierende Zahlungsmittel schaffen, die perspektivisch eine Unabhängigkeit vom Euro erlauben.
Eine der größten Volksabstimmungen in Deutschland ist die Flucht vieler Bürger in Gold und Silber. Dieses Verhalten ist allerdings noch kein politisch relevantes Verhalten, denn nur wer Gold und Silber anschafft, um es wirklich zu benutzen, also nicht nur aus Angst vor dem Währungszerfall Edelmetalle hortet, schafft ein Politikum. Mit anderen Worten, nur die Kultivierung des natürlichen Zusammenhanges von Geld und Markt beinhaltet eine echte politisch-soziale Option. Es geht also nicht nur um die schädliche Dominanz der Banken für unser Gemeinwesen, sondern auch um die marktbeherrschende Stellung von Monopolen generell, zum Beispiel in Form von Supermärkten. Viele Initiativen aus der Freigeldszene in Deutschland schaffen bereits neue „Schein“-Währungen für zumeist regionale Märkte.
Ist eine „Geldrevolution“, natürlich im Rahmen der Gesetze der Bundesrepublik, überhaupt denkbar? Eine Mobilisierung in diese Richtung könnte de facto, ob wir wollen oder nicht, eintreten, nämlich dann, wenn unser Geldsystem zusammenbricht, oder aber zuvor, etwa durch eine neue Justierung des politischen Ansatzes der Eurokritik, aktiv angestrebt wird. Interessant wäre dabei ein strategischer Zusammenschluss der bestehenden alternativen Währungsmodelle und der aufstrebenden Goldbewegung. Nur mit einer goldbasierten Grundwährung könnten die erfolgreichen alternativen Währungen wie der bayrische „Chiemgauer“ sich endgültig von der künstlichen Eurobindung trennen und eine echte Alternative werden. Der neu enstehende Markt um das neue Geld wäre ein echtes Politikum.