„Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein“
Kierkegaard
Phoenix gestattet heute einen kurzen Einblick auf den Grünen-Parteitag. Die Delegierten wirken zwischen „Jamaika“- und „Kuba“-Koalitionen und der neuen Offenheit nach Links und Rechts etwas gelangweilt. Es herrscht Tristesse auf der neon-erhellten grünen Bühne. Es wird nonstop geredet. Der alte Spirit von „Brokdorf“ oder „Wyhl“ ist gemütlicher Bürgerlichkeit gewichen. Eine Koalition mit der CDU, also die Variante „autoritärer Kapitalismus“ und „grüne Moral“ ist die nächste logische Konsequenz politischer Beliebigkeit. Am späten Abend hat ein 18jähriger Delegierter (junge Grüne) und ein 82jähriger (alte Grüne) durch Losentscheid jeweils 4 Minuten Rederecht gewonnen. Beide sind erstaunlich professionell und im Prinzip schon genauso gut wie der Joschka. Und jetzt haben sie auch noch Losglück.
Ich erinnere mich noch an die Wyhler Bürgerbewegung. In der Nähe von Freiburg hatten Studenten, Akademiker und Bauern sich mit einem bunten Dorf im Rheinwald einem geplanten Atomkraftwerk in den Weg gestellt. Basisdemokratisch und einfach so. Zwischen den Hörsälen in Freiburg und den Weinhängen am Kaiserstuhl entstand für einen Moment ein erstaunliches Gemeinschaftserlebnis. Filmstoff. Die Aktion hatte Erfolg und endete doch in Depression. Im 15 Kilometer entfernten Fessenheim bauten die Franzosen auf der anderen Rheinseite ein noch größeres Atomkraftwerk. Das war der erkennbare Beginn der Globalisierung, wenn auch noch im lokalen Maßstab. Die ratlose Bewegung wurde nun flugs in das Parlament umgeleitet. Die Stunde der berühmten Turnschuhe hatte geschlagen. Die Mission: Die Integration der außerparlamentarischen Bewegung in die demokratische Einheitskultur.
Mission completed. „Alle Wege der 68er führen in den Supermarkt“, hat Peter Sloterdijk der Bewegung nüchtern den Totenschein ausgestellt. Der Lebensabend führt in die Toskana. Aber wenigstens die Rente ist sicher. Die grüne Grundidee, die böse Technik einfach durch eine gute Technik auszutauschen, war dabei eigentlich kindlich genial. Im Milieu der Freiburger Villenviertel der 80er Jahre war man sich nach den ersten Wahlerfolgen einig: „Jetzt wird alles gut“. Beinahe euphorisch wurde mit der Macht getanzt. Realopolitik on its best, als auf den Schwarzwaldrücken die ersten Windräder sich drehten (..während Lafontaine mit bitteren Worten von der politischen Bühne abtrat: „Ich habe einen tödlichen Fehler gemacht. Ich habe Banken und Versicherungen zur Kasse gebeten“).
25 Jahre später endet die grüne Idee im Windmühlenkampf der Parteien ohne nachhaltigen Rückenwind. Es ist Windstille. Die Technik in Gut und Böse einzuteilen zu wollen, sei das tiefste Missverständnis über die moderne Technik und die politische Lage des Menschen. So zumindest beschied es der altersweise Martin Heidegger. Gegenüber planetarischer Finanztechnik und dem Wirbelsturm des Kapitals wirkt „grüne“ Politik heute antiquiert. Das Rad dreht sich. Die endgültige Abwahl scheint nur noch eine Frage der Zeit.