„Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein“, pflegte Kierkegaard zu sagen.
Der „Weltfrie-den“, der „Weltstaat“, die „subsidiäre Weltföderation“ und wie die – nicht einmal schönen – Träume heißen, deren Unterschiede wir hier beiseite lassen, das sind wohl Unmöglichkeiten – die zudem sittlich abwegig sind. Le futur, c'est le massacre: „Die Zukunft ist das Massaker“ – und das Massaker wird nicht dadurch geadelt, daß es high-tech und im Namen der „Demokratie“ geschieht. In der Politik sollte man es mit Wahrscheinlichkeiten halten, nicht mit Wunschbildern. Und die Wahrscheinlichkeit ist, daß wir uns nach dem 20. Jahrhundert noch die Finger lecken werden. Anstatt aber vom „Weltstaat“ und ähnlichen längst wurmstichigen Derivationen zu phantasieren, sollten wir Deutschen daran denken, daß wir nach 1991 13 Milliarden Mark gezahlt haben, damit 150.000 Iraker getötet werden konnten und anschließend 300.000 Kinder infolge des Embargos verhungerten – als wenn der Irak uns oder auch nur den „Westen“ jemals bedroht hätte. Im Bewältigen kennen wir uns doch aus – und hier wären wir sogar zu klaren Folgerungen und Handlungsanweisungen gelangt. Mag eine sich an Schmitt orientierende Kritik gegenüber bestimmten Realitäten ohnmächtig sein, so ist sie es doch nicht gegenüber der sie deckenden Ideologie. Und: Die Zerstörung einer Realität beginnt immer mit dem Angriff auf ihren Überbau! – Sie suggerieren mit Ihren Fragen, daß gegen einen imperialistischen Interventionismus kein Kraut gewachsen sei. Wie kommen Sie denn auf so was? Zum Sterben findet sich übrigens immer noch Zeit, während bestimmte Formen des sacrificio dell' intelletto – der intellektuellen Selbstaufgabe – unheilbar werden können.
Günter Maschke: Jahrgang 1943, der „einzige echte Renegat der 68er“ (Jürgen Habermas), lebt als Schriftsteller und Privatgelehrter in Frankfurt am Main. Er gilt als einer der profundesten Kenner und Interpreten des Werkes von Carl Schmitt.
Günter Maschke (Hrsg.): Carl Schmitt. Frieden oder Pazifismus? Arbeiten zum Völkerrecht und zur internationalen Politik 1924-1978. Mit einem Vorwort und mit Anmerkungen versehen. Duncker&Humblot, Berlin 2005, XXX und 1.010 Seiten, gebunden, 98 Euro
Carl Schmitt, Günter Maschke (links), 1981: „Massaker werden nicht dadurch geadelt, daß sie im Namen der Demokratie geschehen“