„Die Politisierung des nackten Lebens als solches bildet auf jeden Fall das entscheidende Ereignis der Moderne.“ (Giorgio Agamben: „Homo Sacer“. Die souveräne Macht und das nackte Leben)
Als ich vor einem halben Jahr auf das Buch Agambens („Homo sacer“) stieß und damit auf die düstere Analyse des Philosophen, dass im Weltstaat das Lager integrierter Bestandteil sei, hätte ich nicht gedacht, wie schockierend real diese Prognose eigentlich ist (siehe auch den Vortrag „Nihilismus und Menschenrechte“). Heute wissen wir längst von den Folterlagern im Irak. Das Recht, Lager einzurichten als Ausdruck äußerster Souveränität und eingebildeter Macht ist heute ein Fakt. An die öffentliche Zurschaustellung des „nackten Lebens“, dass keinen Wert mehr haben soll, haben wir uns schon beinahe wieder gewöhnt. Nachdem wir in der Schule gelernt haben, dass man sich als Mensch und Humanist gegen solche „Entwürdigungsriten“ zu wehren hat, bleibt es heute noch erstaunlich ruhig. Die gleiche unheimliche Ruhe übrigens, die das humanistische Europa bereits im Bosnienkrieg bewahrt hat. Die 68er Generation, die sich lautstark mokiert hatte, dass die Elterngeneration gegen den Nazi-Terror wenig „heldenhaft“ gewesen sei, verschwindet hinter dem Weihrauch der eigenen moralischen Idealisierung und Inszenierung.
Eine entzauberte Generation, denn das Lager ist nicht verschwunden, seine Etablierung bleibt folgenlos und das Lager selbst weiterhin das Symbol der Moderne. Neu ist, dass die Fakten heute gut sichtbar auf dem Tisch liegen:
Die USA unterhalten nach Angaben von Menschenrechtlern ein weltweites Netzwerk geheimer Haftanstalten. In ihrem Kampf gegen den Terrorismus hielten die USA Verdächtige in mehr als zwei Dutzend Gefängnissen fest, von denen mindestens die Hälfte in vollständiger Geheimhaltung arbeiteten, erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights First. Wegen der Geheimhaltung seien „unangessene Haftbedingungen und Missbrauch nicht nur wahrscheinlich, sondern unvermeidlich“.
Die US-Regierung unterhalte ein System von Gefängnissen außerhalb des eigenen Landes, die außerhalb der Reichweite von „angemessener Überwachung, Rechenschaft oder Gesetz“ lägen, kritisierte Deborah Pearlstein von Human Rights First. Ein Bericht der Organisation listet 17 US-Gefängnisse auf, deren Existenz die US-Regierung öffentlich eingeräumt hat. Dazu gehören zwei in Afghanistan, 13 in Irak, eine in Guantanamo Bay auf Kuba sowie eine in Charleston im US-Bundesstaat South Carolina. Zudem zählt der Bericht 13 „mutmaßliche“ Haftanstalten auf, deren Existenz von Washington nicht bestätigt wurde, über die es jedoch Berichte aus zahlreichen Quellen gebe. Von diesen Geheim-Gefängnissen sollen sich sieben in Afghanistan befinden, zwei in Pakistan, eine auf der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean, eine in Jordanien und zwei auf US-Kriegsschiffen.