Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul hat dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel am Sonntag mitgeteilt: „Dass mittlerweile zivile Einrichtungen und Zivilisten in einem anderen Staat bombardiert werden, ist völkerrechtlich völlig inakzeptabel.“ Von ihrem Schreibtisch in Berlin aus forderte die SPD-Politikerin die israelische Regierung auf, „alles zu tun, die Zivilbevölkerung zu schützen“. Kurzum, die Politikerin gehört zu denjenigen, die angesichts asymmetrischer Opferzahlen und dem Leid der Bevölkerung auf beiden Seiten die Verhältnismäßigkeit der Aktionen anmahnen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns ist das Merkmal des Rechtsstaats. In Friedenszeiten schießt ein Staat nicht mit Kanonen auf Spatzen. In Israel herrscht aber der permanente Ausnahmezustand und damit andere Regeln. Längst fragt man sich auch in anderen Teilen der Welt, ob der Zweck „Terrorismusbekämpfung“ alle Mittel heiligt, gar selbst zum „Terror“ wird. Das offensichtliche Problem ist die zunehmende Relativierung des Rechts, auch des Kriegsrechts. Im Kampf gegen den Terrorismus gilt bereits eine Art globales Ausnahmerecht. Die Strategie des kurzen Prozesses zerstört auch ein ganzes Dorf, wenn sich ein wichtiger Terrorist dort verbirgt.
David oder Goliath? Die israelische Armee zählt zu den bestausgerüsteten im Nahen Osten und gilt weltweit als eine der schlagkräftigsten. Für sein Militär kann Israel in diesem Jahr umgerechnet 7,8 Milliarden Dollar aufwenden. Als sicher gilt, dass Israel über nahezu 200 selbst gebaute Atombomben verfügt, die mit «Jericho»-Raketen bis zu 1500 Kilometer weit ans Ziel gebracht werden können. Die ideologischen Gruppen im Nahen Osten müssen auch deshalb, angesichts der militärischen Machtverhältnisse, ihre absolut erfolglose militärische Taktik religiös verklären.
Die neuen Kriegshandlungen – und der Terror, der von ihnen naturgemäß ausgeht – scheinen durchaus gut durchdacht. Der eigentliche Kriegsgrund ist wie bei vielen anderen Kriegen eher lapidar. Israel will die Gelegenheit nützen, dem sowieso tief gespaltenen Libanon die Hisbollah endgültig madig zu machen. Viele Allierte hat die Revolutionstruppe, die sogar offizielle Regierungsmitglieder stellt, auch in der islamischen Welt nicht. Saudi-Arabien macht die Hisbollah selbst für die jüngste Eskalation verantwortlich und vielen Muslimen ist die iranische Außenpolitik durchaus suspekt (die stärkste Lobby des Iran in Deutschland ist die deutsche Wirtschaft).
In Deutschland wird die Debatte, soweit sie überhaupt aufkommt, wie immer mit scharfen Worten geführt. Fast immer wird dabei unterstellt, dass man für eine der beiden politischen Lager Sympathien haben müsse. Es gibt aber natürlich eine dritte Position, die sich der Logik der geistigen Mobilmachung für beide Seiten entzieht. Die israelischen Angriffe auf den Libanon maßlos zu finden, heißt natürlich nicht im Umkehrschluss, Sympathie für die trostlose Ideologie der Hisbollah zu haben. Ganz zu schweigen von der natürlichen Abscheu, die uns angesichts des Nihilismus der Selbstmordattentate immer wieder ergreift.
Auf beiden Seiten droht der „moderne“ gegenseitige Vernichtungswille, das politische Denken und die politische Substanz dauerhaft zu bestimmen. Aus islamischer Sicht ist die tragende Idee der Ideologie, nämlich die absolute Politisierung des Seins, bis hin zur Taktik der totalen Kriegsführung völlig inakzeptabel. Der Islam wahrt das Maß. Es könnte nicht offener zu Tage treten: Weder Hamas noch Hisbollah haben dem leidenden palästinensischen Volk Fortune gebracht. Auch dieser einfache Fakt steht gegen die arrogante Anmaßung, hier handle sich es um „Parteien“ Gottes.