Der große Europäer Rainer Maria Rilke hat einmal gesagt, um die ganze Breite der eigenen Seelenlandschaft erfahren zu können, müsse man einmal Capri gesehen haben. Für Muslime und ihr „In-der-Welt-sein“ gilt dieser Satz in Bezug auf ihre einmal im Leben zu vollziehende Reise nach Mekka. Dort erfahren sie die ganze Dimension der Wirklichkeit ihrer Existenz.
Dem Geheimnis der Schöpfung, kommt der Muslim im Zusammensein mit Millionen Muslimen näher, Muslime, die alle bewusst nichts mehr haben als das nackte Leben und Allah. Ein Status, der in sich mehr Lebensqualität birgt, als die andere Form des nackten Lebens, das die Moderne hervorbringt und, wie es Agamben definiert, das nackte Leben ist, das nichts mehr hat als seinen Körper.
In der Erfahrung des Ritus der Pilgerreise lösen sich die Trennlinien von Rasse und Nation auf. Die pure Essenz des Daseins, die Bedürftigkeit, die Hoffnung auf die anstehende, andere, dem Leben gegenüberliegende Seite der Existenz prägen diese Tage. Jeder, der einmal in Mekka war, erinnert sich an die denkwürdige Sogwirkung, die dieser Ort entfaltet. Kein Phänomen kommt Goethes Idee des „Weltbürgertums“ näher.
Wie bei den Gezeiten strömen ungeheuere Massen von Menschen an diesen Ort, um nach einigen Umrundungen der Kaaba, verwandelt, wieder in die Welt hinausgespült zu werden. Natürlich denkt man in diesen Tagen auch gerade an die Muslime, die von der eigenen Gemeinschaft verabschiedet worden sind, um zu dieser einmaligen Reise aufzubrechen.