Wenn man irgendwo wirklich zuhause sein will, sind auch Sprachkenntnisse vonnöten. Das ist zunächst nicht anderes als eine Binsenweisheit. Aber nicht unbedingt in Europa. Die deutsche Sprache, aber eben nicht die Rasse, als die Grundvoraussetzung Deutscher zu werden und zu den Deutschen zu gehören, ist ein gewaltiger Fortschritt. Darüber hinaus ist es die islamische Position, die Identität eines Menschen allein an seine Sprache zu binden. Die Forderung der Bundesregierung nach ausreichenden Sprachkenntnissen für die Einbürgerung ist aus meiner Sicht also durchaus legitim. Zumal die deutsche Sprache Kulturgut ist und den Zugang zur Dichtung und Philosophie gewährt.
Auch die Sorge der Regierung, völlig negative oder feindlich gestimmte Leute auch nicht einbürgern zu wollen, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Ob dieses Problem dadurch gelöst wird, dass man Eide leistet und wie in der Fahrschule Fragebögen auswendig lernt, sei dahin gestellt. „Wovon man spricht, das hat man nicht“, heißt es schön bei Novalis. Aber für ein Gemeinwesen ist natürlich das Miteinander-sprechen-können konstituierend. Der Islam wird auch eine andere Präsenz entfalten, wenn er in der Lage ist, sich zunehmend in der Heimatsprache zu offenbaren.
Es ist beinahe ein Paradox. Ein fixes Territorium und die Rasse haben in Europa jahrhundertelang die Nation gebildet. Diese starren Begriffe sind in Auflösung. Während in Europa Rasse und damit die Nation eine immer kleinere Rolle spielt, sind die Muslime gegen das Wesen der islamischen Lehre in vielen Erdteilen – teils gezwungen, teils gewollt – zu „Nationalisten“ geworden. Wenn jetzt in Deutschland türkische Verbände sich über die Einbürgerungsregeln beklagen, muss man schon auch die Gegenfrage stellen: Wieviele Deutsche sind denn bis heute in diese Verbände integriert worden?
Es wird Zeit, dass der Faktor „Türke“, „Araber“ oder „Deutscher“ auch bei muslimischen Organisationen sichtbar keine Rolle mehr spielt. Nur so lässt sich die Situation „Wir Deutsche“ gegen „Ihr Muslime“, die manche Konservative immer noch anstreben, auflösen. Der Zusatz deutsch, türkisch, arabisch macht für islamische Organisationen in Europa immer weniger Sinn und hat zur geistigen Stagnation beigetragen. De facto gibt es jedenfalls immer mehr „deutsche Muslime“ und der Islam ist längst nicht mehr nur eine fremde „Immigrantenreligion“.
In diesem Sinne sind deutsche Muslime weder Rassisten noch Nationalisten, sondern eben schlicht Deutsch sprechende Muslime. Das beste Beispiel sind meine eigenen Kinder, die mit den Kindern unserer türkisch- oder arabischstämmigen Freunde spielen und eine Einheit bilden. Sie sprechen als „deutsche“ Muslime in diesem Land eine gemeinsame Sprache. Es wird interessant sein zu beobachten, wie hier neue Impulse für eine europäische Kultur entstehen. So erfüllt sich vielleicht auf diese Weise die Goethesche Forderung nach dem neuen Weltbürger.