„Aber was Kaiser Karl V. in seinem Imperium nie ganz geschafft hat, für global aufgestellte Konzerne gilt es allemal: Die Sonne geht für sie nie unter.“ (VW-Chef Bernd Pischetsrieder in der Schweizer Zeitung Sonntagsblick zu Chancen und Problemen auf den Weltmärkten.)
Merkwürdiges Happening. KunstudentenInnen wollten am Bonner Bahnhof Schließfächer als Kunsträume nutzen. Eine junge Studentin füllte den Kunstraum mit belegten Brötchen und legte Senf und Servietten dazu um zu sehen ob Passanten sich bedienen werden oder nicht. Was sie wirklich sah, so die Rhein-Sieg Zeitung, waren die blauen Uniformen der Bahnpolizei, die durch entsprechende Videokameras alarmiert wurden. Die Studenten wurden informiert, dass Kunst und Sicherheit sich leider nur schlecht vertragen und, wenn die Aktion nicht unverzüglich beendet würde, die Bundesbahnpolizei sie festnehmen werde. Auch der Hinweis der Studenten, dass Terroristen sich wohl kaum die Mühe machen würden, dutzende Schließfächer künstlerisch zu gestalten, half nichts. Was blieb war stummer Protest, die Studenten verschlossen die Fächer und damit ihre Kunst und zogen von dannen.
Natürlich hat es die Kunst, wie man sagt, die „Religion des Säkularen“, schwer in Zeiten der Wirtschaftskrise und des Sicherheitshypes. Der eigentliche Sinn der Volkswirtschaft ist ja auch nicht etwa die Kunst, sondern die Vollbeschäftigung. Was aber tun, wenn diese Vollbeschäftigung auf Dauer nicht mehr erreicht wird? Was tun mit Stadtvierteln, die von tausenden jungen Immigranten bevölkert werden, die weder Sinn noch Arbeit finden und in die Isolation abdriften? Die moderne Globalisierung schafft so – wie dies der Soziologe Zygmunt Bauman drastisch formuliert – wie jede große Maschine einigen Abfall, wenn auch in diesem Fall „Menschenabfall“. Die Zahl der Menschen, die nicht mehr nützlich sind, wächst unaufhaltsam. Mit ihnen wächst die Aggression. Der Staat kann diesem Phänomen letztlich nur mit wachsender Autorität entgegentreten und – wie in Frankreich ohne große Aufregung geschehen – mit Ausnahmerecht reagieren und regieren.
„Im Unterschied zu den vom Markt erzeugten Bedrohungen für den Lebensunterhalt und das Wohlergehen“, so Bauman in seinem Buch „Verworfenes Leben“, „muß das Ausmaß der Gefahren für die persönliche Sicherheit intensiv beschworen und in düsteren Farben geschildert werden, damit das letzliche Ausbleiben solcher Gefahren als außerordentliches Ereignis gepriesen werden kann, als Ergebnis der Wachsamkeit, Fürsorge und guten Willens der Staatsorgane“.
Die Sicherheitsdebatte und immer neue Gesetze, so befürchten Verfassungsrechtler, wenden bereits heute jeden Bürger immer mehr zum Verdächtigen. An jedem Ort und zu jeder Zeit. „Wenn Regierung und Medien der Zahl an Toten, die der Straßenverkehr Tag für Tag fordert, ähnlich viel Aufmerksamkeit widmeten, würden wir vielleicht, vor Angst gelähmt, gar nicht mehr in unsere Autos steigen“ schreibt Anna Moore (Raising a False Alarm) in The Observer über das neue Dogma der Sicherheit und der „Terrorangst“. Die Terroristen und, nicht ganz nebenbei, die Steuerflüchtigen, sind die Staatsfeinde mit den Fahndungsmerkmalen, die praktisch jeden und jede treffen, ob Muslim oder nicht. Fazit: Die alten Zeiten, wo der Schlossherr seine Zugbrücke hochziehen kann und „privat“ ist, sind jedenfalls längst vorbei.