Soweto ist ein Mythos. Soweto stand für den Freiheitswillen der schwarzen Bevölkerung gegen das südafrikanische Apartheidsregime. Heute ist Soweto ein nach wie vor in sich geschlossener sozialer Brennpunkt in der Nähe Johannisburgs. Die neuen Gegner sind: Armut, Aids, Massenarbeitslosigkeit, Kriminalität. Soweto ist noch immer eine „schwarze“ Hochburg und ein „Weißer“ eine bestaunte Ausnahme. Nicht überall in Soweto sollte und kann man als Fremder aus dem Wagen aussteigen. Die Armut ist überall spürbar. An einer der Straßenkreuzungen überquert ein alter Mann einen mit Müll gefüllten Einkaufswagen: er hat nur noch das nackte Leben. Die meisten Menschen in Soweto haben kaum mehr.
Mein Besuch gilt am Samstag der Moschee des Townships. Dort treffen sich die Fuqara, die Armen, um eine Nacht mit Essen, Gebet und Gesang zu verbringen und aus dem Diwan Schaikh Muhammad al Habib zu singen. Die Begrüßung ist herzlich, in dieser Nacht hat niemand etwas anderes, als die bloße Absicht sich dem Herrn zu nähern. In der Begeisterung der Anrufung können sich Unterschiede nicht halten. Man isst am späten Abend gemeinsam Reis und Huhn und freut sich, dass es mit dem Islam gelingen kann die alten Rassenschranken zu überwinden. In dieser Moschee der Armen spielt es keine Rolle, ob man Inder, Schwarzer, Deutscher – reich oder arm, Mann oder Frau oder wer auch immer ist. Man kann nicht anders, man ist für diesen Abend zu Hause in Soweto.
Die Moschee hat auch die hässliche Seite des Rassismus, auch nach dem Ende der Apartheid, kennengelernt. Vor zwei Jahren hatten radikale Buren die Moschee mit einer Bombe in Mitleidenschaft gezogen. Bis heute ist die vollständige Renovierung mangels entsprechender Mittel nicht gelungen. Der Imam führt traurig durch die zerstörten Räume. Aber auch der Islam selbst hat seine essentielle Ferne zu „Rassenlehren“ noch nicht vollständig vermitteln und verinnerlichen können. Für viele Schwarze ist der Islam noch heute die exklusive und unzugängliche Religion der Inder, die in den anderen Townships gelebt hatten. Nach unserer Nacht überrascht es um so mehr, als zwei junge Männer aus Soweto in unserem Kreis zum Islam übertreten und dieses Mißverständnis überwinden.