Der Nahostkonflikt eskaliert. Die deutsche Politik hat sich in die Sicherheit des Schweigens verabschiedet. Die deutschen Medien funktionieren zumeist nach der Logik der Lagerbildung: Entweder man ist für den dunklen „Hisbollah-Terrorismus“ oder man steht eben stillschweigend für eine Politik der Eisernen Hand, die sich durch die Behauptung die globale Verbreitung von Menschenrechten und Demokratie zu vollziehen, beinahe religiös verklärt.
Heute sind Krieg und Frieden kaum noch unterscheidbar. Das Denken bewegt sich in Kategorien der Totalität, die so wenig zu differenzieren vermögen, wie die Technik unserer Vernichtungsmaschinerie. Die Logik der Legitimität ist eher einfach gehalten: Die höchsten Werte rechtfertigen die Vernichtung des Unwertes. Im lokalen Umfeld des Terroristen bleibt nur das nackte, rechtlose Leben.
Das Fragen können nach dem Maß, dass uns als Menschen auszeichnet, versucht D. Bax von der tageszeitung in Worte zu fassen:
„So mühen sich in diesem Krieg die meisten deutschen Medien um Ausgewogenheit. Trotzdem hagelt es auch jetzt wieder Kritik von allen Seiten, von Israelkritikern und -freunden, weil man es eben nie allen recht machen kann. Doch auch der Versuch, beispielhafte Ausgewogenheit zu demonstrieren, wirkt oft etwas bizarr: dann nämlich, wenn die Korrespondenten in Israel nur zu berichten haben, dass sich die Bevölkerung in Bunker zurückziehe und Angst habe – während die Lage im Libanon fast stündlich dramatischer und chaotischer wird. Das Ungleichgewicht des Schreckens zwischen der Militärmacht einer hochgerüsteten High-Tech-Armee, die dabei ist, ein ganzes Land zusammenzubomben, und einer Guerilla-Armee, die mit ihrem Raketen eher ziellos in der Gegend umherzuschießen scheint, ist offensichtlich. Dieses Ungleichgewicht spiegelt sich auch in der Zahl der Opfer. In Israel starben bisher 35, im Libanon schon 340 Menschen – und Hunderttausende sind dort auf der Flucht.“
Selten wird die politische Sinnfrage tiefer gestellt. Es geht im Kampf beider Seiten um das gleiche politische Idol vergangener Jahrhunderte: den souveränen Staat. Das moderne Staatsdenken, als Einheit von Rasse und Territorium und als das Ordnungsmodell der alten Zeit der Nationalstaaten, macht eine Befriedung dieser komplexen Welt der Regionen und Religionen dauerhaft unmöglich. Nationalismus ist im Zeitalter der Globalisierung nichts anderes als eine Farce. Im Nahen Osten ist ein echter Nomos, der durch Nationalstaaten gebildet wird, so wenig denkbar wie ein funktionierender Weltstaat in Sicht ist. Das Existenzrecht Israels ist dabei weniger militärisch, sondern ökonomisch bedroht. Ohne die ausufernde Kriegswirtschaft und Militärhilfe wäre Israel bankrott.
Die Neandertalpolitiker der Hamas oder Hisbollah verkennen in ihrem sinnlosen Kampf nicht nur die geschichtliche Lage, sie sind aus ihrer ausschließlich politisch verstandenen Substanz heraus notwendigerweise und gerade auch mit ihrem religiösen Latein schnell am Ende wenn es um die eigentlichen Fragen dieser Zeit, nämlich die, der „ökonomischen Alternativen“ geht. Das ist kein Wunder. Das Vorbild Iran ist ja nichts anderes als ein ganz normaler kapitalistischer Staat, mit internationaler finanztechnischer Vernetzung und einer rigid durchgesetzten Staatsreligion. Es braucht den Feind. Die ökonomisch am Boden liegenden Massen werden durch das antiquierte Freund-Feind Spektakel und der Lust an der Explosion und am Feuerwerk abgelenkt. Das ist der Zynismus und der Betrug der politischen Ideologen vor Ort. Ernst Jünger schrieb vor Jahrzehnten in den Adnoten zum Arbeiter:
„Wer heute noch über die Farbe von Fahnen streitet, der sieht nicht, daß die Zeit der Fahnen vergangen ist. Die Händel an den Grenzen werden unlösbar, weil die Grenzen als solche den Sinn verlieren; sie werden unglaubwürdig, weil die Erde eine neue Haut gewinnt.“