Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Abu Bakr Rieger

Islam, Finanztechnik, Recht & Philosophie

Extreme

„War es nicht schon ein Fehler, dass wir zu Beginn des Irak-Kriegs nicht genug Sunniten getötet haben, um sie ausreichend einzuschüchtern?“ John Podhoretz in der Washington Times

Naturgemäß interessieren sich Massenmedien für extreme Meinungen aus dem Freund-Feind-Verhältnis, die sich gut verkaufen lassen. Diese extremen Positionen aus dem politischen Feld schaukeln sich natürlich mit Leichtigkeit gegenseitig auf. Die Wirkung für die Masse der Muslime ist fatal: Entweder man hört Stimmen der modernen Ideologen oder aber die Gegenbewegung: die Stimmen moderner Esoteriker. Minderheiten und Extreme bestimmen so das Bild. Eine „Meinung haben“ wird mit „Wissen haben“ verwechselt. Imam Malik, der große Rechtsgelehrte, wurde einmal von einem Mann besucht und befragt. Imam Malik beantwortete die meisten der Fragen mit „Ich weiß es nicht“.

Die breite Masse der praktizierenden Muslime hat bisher kaum eine Stimme (gibt es in Palästina nur die Hamas?), die den Geschehnissen aus einer islamischen Position der Mitte „Bedeutung“ und „Sinn“ verleiht. In Deutschland wird die intellektuelle Krise des Islam dadurch verstärkt, dass die Regierung einen „politisch korrekten“, aber eben in erster Linie einen politischen Islam stärken will. Dieser zeichnet sich für die Regierung wohl dadurch aus, dass er von vornherein eben genauso denkt wie die Regierenden. Der Nachteil ist evident: Dialog wird so zu einer rhetorischen Bekundung von politisch korrekten Gleichdenkenden. Die breite Masse wird aber nur durch eine korrekte Lehre in den Moscheen berechenbar integriert.

Vielen Muslimen fällt es im „Hagel der Bomben“ zunehmend schwer, zwischen Recht, Moral und Politik zu unterscheiden. Wie auch? Signifikant ist nach wie vor das Schweigen der islamischen Lehre zu den drängenden Fragen dieser Tage. Der Schaikh Al-Islam des Islamrates beispielsweise, der gemäß der Satzung des Rates eigentlich fundierte Rechtleitung gewähren sollte, ist, um nur ein Beispiel zu nennen, in die Sicherheit des Schweigens geflüchtet. Viele Imame sind als bezahlte und abhängige Angestellte heute nicht mehr in der Lage, der islamischen Gemeinschaft – unabhängig von den sie umgebenden politischen Machtverhältnissen – zu Themen wie Terror, Rassismus oder Zakat klare islamische Orientierung zu stiften. Der Islam wird heute in der Öffentlichkeit beinahe ausschließlich politisch repräsentiert, während die juristische Tiefe islamischer Argumentation und Lehre zugleich spürbar schwindet. Das ist auch der Grund, warum die Muslime in zentralen parteiähnlichen Strukturen leben und der alte lokale Zusammenhang von Moschee, Markt und Stiftungen verloren gegangen ist.