Ernst Jünger hat einmal in seinen Tagebüchern gesagt, es habe nie eine Phase gegeben, in der die Deutschen materiell so reich waren, aber gleichzeitig solch große materiellen Ängste hatten. Das ist wahr. Die Angst um die eigene Subsistenz und den Verlust im Allgemeinen ist heute tatsächlich prägend. Die große Politik sichert die Nachfolgeschaft dann auch gerne mit dem dezenten Hinweis auf den drohenden Untergang. Abu Darda`berichtet den folgenden Ausspruch des Gesandten, Friede sei mit ihm, der eine gewisse Gelassenheit in diesen vorletzten Fragen vermittelt: „Das Lebensnotwendige sucht einen Menschen in der gleichen Weise wie die ihm zugewiesene Lebensspanne.“ Ein anderes Beispiel für diese Haltung überliefert Umar ibn al Khattab, der den folgenden Ausspruch des Gesandten wiedergibt: „Hättet ihr wirklich Vertrauen in Allah, würde er für Euch sorgen, wie er es für die Vögel tut, die am Morgen hungrig davonfliegen und am Abend satt zurückfliegen“.
Mit anderen Worten, die Existenz trägt uns, die Versorgung ist „geschrieben“, auch wenn man natürlich am Baum schütteln muß, um die Früchte einzusammeln. De facto ist die Übung des Fastens und des Zakat-Zahlens für den Muslim überaus wichtig, eben um nicht völlig an Welt und Materie zu verfallen. Beide Handlungen symbolisieren Trennungen. Die Fähigkeit oder das Vermögen, diese Trennung zu vollziehen, gehört zur Substanz echter geistiger Freiheit. „Die Menschen“, so schreibt Schaikh Dr. Abdalqadir as-Sufi in dem Klassiker „Was ist Sufismus“, „sind ihrem Besitz verhaftet und diese Erfahrung ist nichts weiter als die Ausweitung ihrer Abhängigkeit von der Welt-als-Nahrung“. Maulana Rumi fasst dieses Wechselspiel zwischen Mensch und Welt so zusammen: „Die ganze Welt ist eine Brust“.
Allahs Großzügigkeit ist nicht nur dadurch gegeben, dass Er der Versorger ist, sondern auch durch den Umstand, dass man nach der Erfüllung der „Zakatpflicht“ den Rest behalten darf. Zakat und Fasten sind wichtige soziale Impulse innerhalb des intensiven und solidarischen Zusammenlebens der Muslime. Die korrekte und lokale Einholung der Zakat ist dabei ein untrügliches Zeichen für die Authentizität der Moschee und der versammelten Gemeinde. Wer seine Zakat per Banküberweisung erledigt, schafft diesen Zusammenhalt nicht. Ohne korrekte Zakat keine echte Gemeinschaft. Gerade das soziale Umfeld, sei es Familie oder Gemeinschaft, wird dabei im Ramadan als das uns eigentlich Tragende bewusst. Am Abend beim Tarawwih-Gebet in der Moschee steht die Gemeinschaft – ob jung oder alt, arm oder reich – Schulter an Schulter.